OGH: Zur Frage, ob ein während des laufenden Kalenderjahres mit erheblichen Einkommensverlusten verbundener Pensionsantritt des Unterhaltspflichtigen im Einzellfall dazu führen kann, dass ein geltend gemachtes Unterhaltserhöhungsbegehren für vergangene Zeiträume ab dem Pensionsantritt nur auf Basis von Einkünften in diesen Zeiträumen oder – unabhängig von der Pensionierung – auf Basis der Einkünfte im gesamten betreffenden Kalenderjahr zu prüfen ist
Bei einer maßgeblichen (nicht vorzuwerfenden) Änderung der Leistungsfähigkeit wie bei einer Pensionierung des Unterhaltsschuldners während des Kalenderjahres, die nicht den Zweck der Verkürzung des Unterhaltsberechtigten gehabt hat, muss nicht pauschal auf das gesamte Kalenderjahr abgestellt werden, wenn nicht das gesamte Kalenderjahr Gegenstand der Klage auf Unterhaltserhöhung sei
§ 231 ABGB, § 94 ABGB, § 4 EStG
GZ 6 Ob 174/23s, 23.10.2023
OGH: Nach stRsp erfolgt bei selbstständig Tätigen ganz allgemein die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage aus dem Durchschnittseinkommen der drei letzten, der Beschlussfassung vorangehenden Wirtschaftsjahre, sofern nicht gesicherte aktuelle Daten zur Verfügung stehen. Damit sollen Einkommensschwankungen, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen sind, ausgeschalten und eine verlässliche Bemessungsgrundlage gefunden werden. Dies gilt auch bei gemischten Einkünften aus unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit.
Muss jedoch für konkrete vergangene Zeitabschnitte geprüft werden, ob das Einkommen des Unterhaltspflichtigen seiner Unterhaltsverpflichtung entsprochen hat, ist die tatsächliche finanzielle Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners genau für diese Unterhaltsperioden zu ermitteln. Maßgebend ist dabei der „jeweilige Zeitraum“, worunter zwar idR das konkrete Kalenderjahr zu verstehen ist. Die für die Unterhaltsbemessung herangezogenen Beobachtungszeiträume sind jedoch von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig zu machen und können daher auch variieren. Dies gilt insbesondere für den Fall des Zusammentreffens von Einkünften aus selbstständiger und aus unselbstständiger Tätigkeit und auch für die Frage, ob der herangezogene Beobachtungszeitraum zur Gewinnung verlässlicher Ergebnisse ausreicht.
Das Berufungsgericht erachtete die Wahl des Beobachtungszeitraum von April bis Dezember 2019 als sachgerecht, weil gerade mit der Pensionierung des Beklagten eine Verminderung des bisherigen Einkommens verbunden war, sodass sie maßgeblichen Einfluss auf seine weitere Leistungsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt (hier ab April 2019) gehabt habe. Es müsse daher bei einer maßgeblichen (nicht vorzuwerfenden) Änderung der Leistungsfähigkeit wie bei einer Pensionierung des Unterhaltsschuldners während des Kalenderjahres, die nicht den Zweck der Verkürzung des Unterhaltsberechtigten gehabt habe, nicht pauschal auf das gesamte Kalenderjahr abgestellt werden, wenn – wie hier – nicht das gesamte Kalenderjahr Gegenstand der Klage auf Unterhaltserhöhung sei.
Diese Auffassung hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze und bedarf im vorliegenden Fall keiner Korrektur durch den OGH, zumal hier lediglich der ab dem Pensionsantritt des Beklagten bestehende Unterhaltsanspruch der Klägerin zu beurteilen ist. Inwiefern durch den gewählten Beobachtungszeitraum von immerhin neun Monaten eine konkrete Verfälschung der Ergebnisse aufgrund neben dem Pensionseinkommen erzielter Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit des Beklagten eingetreten sein soll, zeigt die Klägerin weder in ihrer Berufung noch in der Revision auf.