02.01.2024 Zivilrecht

OGH: Zum „Unfall“ iSd § 1 EKHG (Seilbahn)

Der auf plötzlichen Temperaturabfall und die Blitzeisbildung zurückzuführende Stillstand der Seilbahn während eines Sturms und wiederholte Schaukelbewegungen begründen nicht nur ein unmittelbar von außen her einwirkendes, sondern auch ein plötzliches Ereignis


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Gefährdungshaftung, Unfallbegriff, von außen her plötzlich einwirkendes schädigendes Ereignis, Plötzlichkeit, Seilbahn, Blitzeis, Einfrieren der Förderräder, Betriebsstillstand
Gesetze:

 

§ 1 EKHG

 

GZ 2 Ob 198/23s, 21.11.2023

 

OGH: Unter einem Unfall im Gefährdungshaftungsrecht wird ganz allgemein ein von außen her plötzlich einwirkendes schädigendes Ereignis verstanden. Eine physische Berührung mit dem Kfz (Eisenbahn) oder eine (sonstige) mechanische Gewalteinwirkung (beispielsweise Aufprall) ist nicht erforderlich. Dass hier die Klägerinnen keinen auf eine Berührung mit der Seilbahn oder eine sonstige mechanische Gewalteinwirkung zurückzuführenden Schaden behaupten, steht der Annahme eines Unfalls iSd § 1 EKHG daher nicht entgegen.

 

Im Gefährdungshaftungsrecht schließt das Erfordernis der Plötzlichkeit es zwar aus, dass langandauernde, allmähliche oder solche Einwirkungen, die erst durch ihre mehrfache Wiederholung zu einem Schadenseintritt führen, den Unfalltatbestand verwirklichen. Nach den Mat liegt daher kein Unfall vor, wenn ein Reisender, der regelmäßig die Eisenbahn benützt, durch das Rütteln ein Nervenleiden bekommt. Die Rsp hat das Vorliegen eines Unfalls verneint, wenn Erschütterungen durch Vorbeifahrten mit schweren Lastfuhrwerken eine Beschädigung einer Mauer auslösen, wenn durch sich wiederholende, mit dem Betrieb gewöhnlich zusammenhängende schädliche Einwirkungen (Abgase, Lärm, Erschütterungen) Bienenvölker absterben, wenn durch den „schleichenden“ Verlust von flüssigem Ladegut eine Gewässerverunreinigung eintritt oder wenn durch wiederholtes Anpressen eines Schnee- und Eiswalls durch Räumfahrzeuge eine Garagenmauer beschädigt wird.

 

Das Ereignis, aus dem die Kläger eine Gefährdungshaftung der Beklagten für die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Erfrierungen und psychische Beeinträchtigungen) ableiten wollen, ist hier der auf den plötzlichen Temperaturabfall und die Blitzeisbildung zurückzuführende Stillstand der Seilbahn während eines Sturms und die wiederholten - in ihrer Intensität nicht näher feststellbaren - Schaukelbewegungen. Diese Umstände begründen nicht nur ein unmittelbar von außen her einwirkendes, sondern auch ein plötzliches Ereignis, das nicht mit den oben dargestellten, langandauernden bzw allmählichen, mit dem Betrieb gewöhnlich verbundenen Einwirkungen, die ein Unfallereignis ausschließen würden, gleichzusetzen ist.