OGH: Zum Rechtsmissbrauch (iZm Servitut)
Das Abstellen einer Mülltonne einmal pro Woche und einer zweiten alle 3 Wochen am Rand der 5 Meter breiten Trasse eines Servitutswegs bedeutet nur einen geringfügigen Eingriff in die Rechte der Servitutsberechtigten, der mit keinen nennenswerten Einschränkungen verbunden ist
§§ 472 ff ABGB, § 492 ABGB, § 1295 ABGB
GZ 10 Ob 26/23f, 21.11.2023
OGH: Nach der Rsp liegt Rechtsmissbrauch nicht erst dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern schon dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Die Beweislast trifft dabei den, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben. Demjenigen, der an sich ein Recht hat, soll nämlich grundsätzlich zugestanden werden, innerhalb der Schranken dieses Rechts zu handeln.
Das Abstellen einer Mülltonne einmal pro Woche und einer zweiten alle 3 Wochen am Rand der 5 Meter breiten Trasse eines Servitutswegs bedeutet nur einen geringfügigen Eingriff in die Rechte der klagenden Servitutsberechtigten, der mit keinen nennenswerten Einschränkungen verbunden ist. Das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht zudem davon ausgegangen, dass das Abstellen der Mülltonnen mit Zustimmung des Eigentümers der dienenden Liegenschaft erfolgte. Da diesem die daraus resultierende Konsequenz, den Mülltonnen ausweichen zu müssen, nicht verborgen geblieben sein kann, ist davon auszugehen, dass er es in Kauf nimmt, wenn die Klägerin die Wegtrasse dabei erforderlichenfalls überschreitet, was nach den festgestellten örtlichen Gegebenheiten auch leicht möglich ist. Anderes hat die Klägerin zu alldem auch nicht behauptet, sondern nur erklärt, die Zustimmung des Belasteten könne den Beklagten nicht „exculpieren“. Dieser verweist aber zu Recht darauf, dass der Berechtigte die Verlegung eines Servitutsweges durch den Belasteten hinzunehmen hat, wenn der neue Weg dem Zweck der Dienstbarkeit vollkommen entspricht und die Ausübung der Dienstbarkeit nicht ernstlich erschwert wird. Selbst wenn man diese Rsp im Verhältnis zwischen den Streitteilen als nicht anwendbar erachten sollte, weil die Störung nicht (auch nicht indirekt) vom Servitutsbelasteten ausgehe, können die ihr zugrunde liegenden Überlegungen bei Beurteilung des Rechtsmissbrauchs berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund legt die Klägerin nicht dar, welches Interesse sie hat, gerade die von den Mülltonnen beanspruchte Fläche nutzen zu können. Ihr einziger Einwand, sie bewege sich innerhalb der ihr zustehenden Dienstbarkeit, wohingegen sich der Beklagte auf keine valide (Rechts-)Grundlage für sein Handeln stützen könne, vermag keine aufzugreifenden Bedenken an der angefochtenen Entscheidung zu wecken.