19.12.2023 Verfahrensrecht

OGH: Zu Eingaben an den Gerichtskommissär (Zurücknahme des Antrags auf Inventarisierung)

Auf Schriftsätze, die per E-Mail oder als PDF-Anhang eines E-Mails an den Gerichtskommissär übermittelt werden, sind die für die Telefax-Eingabe geltenden Grundsätze analog anzuwenden


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Verlassenschaftsverfahren, Eingabe, Gerichtskommissär, E-Mail, PDF-Anhang, Telefax, Unterschrift, Einleitung, Verbesserungsverfahren, Antrag, Inventarisierung, Zurückziehung
Gesetze:

 

§ 10 AußStrG, § 144 AußStrG, § 165 AußStrG, § 89 GOG, § 804 ABGB

 

GZ 2 Ob 188/23w, 25.10.2023

 

OGH: Der Beschluss über einen Antrag auf Errichtung des Inventars ist abgesondert anfechtbar. Einer der in § 165 AußStrG aufgezählten Fälle obligatorischer Inventarserrichtung liegt hier nicht vor. Zu beurteilen ist vielmehr ein Fall des § 165 Abs 1 Z 6 AußStrG, wonach ein Inventar zu errichten ist, soweit eine dazu berechtigte Person (hier: Pflichtteilsberechtigte) oder der Verlassenschaftskurator dies beantragt. Zweck dieser Vorschriften ist es, dem Pflichtteilsberechtigten eine Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils zu geben, ihm also die Geltendmachung seiner Pflichtteilsforderung überhaupt erst zu ermöglichen. Der zur Antragstellung berechtigte Pflichtteilsberechtigte kann auf sein Recht zur Antragstellung verzichten. Hat er auf die Errichtung eines Inventars (wirksam) verzichtet, ist ihm eine neuerliche Antragstellung verwehrt, weil er sich seines in § 804 ABGB normierten Rechts endgültig begeben hat. Der Pflichtteilsberechtigte verliert insoweit die ihm bei Schätzung des Nachlasses zukommende Parteistellung.

 

Eingaben im Verlassenschaftsverfahren sind nach § 144 Abs 1 AußStrG grundsätzlich an den Gerichtskommissär zu richten. Die Ausnahmen gem § 144 Abs 2 AußStrG (Rechtsmittel und -beantwortungen; Eingaben, die auf eine gerichtliche Entscheidung abzielen; schriftliche Abhandlungspflege) kommen hier nicht zum Tragen. Nach jüngerer Rsp ist ein an das Gericht (Richter oder Diplomrechtspfleger) gerichtetes E-Mail unzulässig und nicht fristenwahrend.

 

Anderes gilt nach der Rsp für Eingaben an den Gerichtskommissär: Eine E-Mail-Eingabe an den Gerichtskommissär ist damit zulässig und fristenwahrend, insbesondere wenn auf dem Briefkopf des Gerichtskommissärs seine E-Mail-Adresse aufscheint, wodurch dieser zu erkennen gibt, Zustellungen auch im Weg eines E-Mails an die angegebene E-Mail-Adresse entgegenzunehmen. Allerdings sind auf solche Schriftsätze, die per E-Mail oder als PDF-Anhang eines E-Mails an den Gerichtskommissär übermittelt werden, in Analogie die für Telefax-Eingaben geltenden Grundsätze anzuwenden: Das Postlaufprivileg des § 89 Abs 1 GOG gilt mangels einer Aufgabe bei der Post für Eingaben per E-Mail nicht. Das E-Mail muss durch Nachbringung der Unterschrift verbessert werden. Liegt der Originalschriftsatz nicht vor und wurde die Unterschrift auch nicht auf der E-Mail-Eingabe original nachgetragen, ist zur Behebung des Formmangels ein Verbesserungsverfahren nach § 10 Abs 4 AußStrG einzuleiten. Das (hier nicht qualifiziert elektronisch signierte) E-Mail stellt hier zwar eine zulässige Eingabe an den Gerichtskommissär dar, ist aber mangels Nachtrags einer originalen Unterschrift verbesserungsbedürftig.