19.12.2023 Verfahrensrecht

OGH: Zum Datenschutz in Gerichtsverfahren (hier: Obsorge)

Es ist grundsätzlich nicht statthaft, während eines Gerichtsverfahrens oder nach dessen rechtskräftiger Erledigung mit einem Antrag nach § 85 GOG gegen die Verwendung von Daten, soweit sie in den Verfahrensgesetzen geregelt ist, vorzugehen


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Obsorgeverfahren, Datenschutz, Offizialmaxime, Beweisverfahren, personenbezogene Gesundheitsdaten, Eltern, Kind, Verwendung, Übermittlung, Gegenpartei
Gesetze:

 

§§ 84 f GOG, § 16 AußStrG, § 31 AußStrG

 

GZ 6 Ob 196/23a, 20.11.2023

 

OGH: Gem § 16 Abs 1 AußStrG hat das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden, und sämtliche Hinweise auf solche Tatsachen entsprechend zu berücksichtigen. Zur Feststellung des Sachverhalts kann gem § 31 Abs 1 AußStrG jedes dafür geeignete Beweismittel verwendet werden. Gem § 31 Abs 2 AußStrG kann zudem das Gericht auch dann Beweise aufnehmen und Erkundigungen einholen, wenn sich alle Parteien dagegen aussprechen. Der Richter ist im Verfahren außer Streitsachen in der Wahl der Beweismittel, durch die er die Wahrheit zu finden erwartet, in keiner Weise beschränkt. Insoweit normiert § 31 AußStrG den Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel. Der OGH hat im Obsorgeverfahren eine vom Erstgericht vorgenommene personenbezogene Datenabfrage beim Sozialversicherungsträger ebenso gebilligt wie im Kontaktrechtsverfahren die Übermittlung personenbezogener Gesundheitsdaten an den anderen Elternteil.

 

Nach der Rsp sollen die §§ 84 f GOG nicht dazu dienen, in jenen Bereichen, in denen die Verfahrensgesetze die Verwendung von Daten (abschließend) regeln, das gerichtliche (Haupt-)Verfahren zu beeinflussen, zu korrigieren oder nachträglich zu kontrollieren. Eine den Verfahrensgesetzen entsprechende Verwendung von Daten ist daher auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig. Es ist demnach grundsätzlich nicht statthaft, während eines Gerichtsverfahrens oder nach dessen rechtskräftiger Erledigung mit einem Antrag nach § 85 GOG gegen die Verwendung von Daten, soweit sie in den Verfahrensgesetzen geregelt ist, vorzugehen.

 

Das Erstgericht war hier der Ansicht, im Obsorgevefahren müsse dem Gericht die Möglichkeit gegeben werden, alle zu Gebote stehenden Informationsquellen für seine Entscheidung verfügbar zu machen, wie dies gerade auch für Gesundheitsdaten zutreffe. Eine Überprüfung von Gesundheitsdaten sowohl bei der Mutter als auch beim Minderjährigen erscheine hier alleine schon deshalb indiziert, weil besonders häufige, allenfalls aber auch mit zusätzlichen Risiken behaftete Untersuchungen ein Hinweis auf eine Gefährdung des Kindeswohls oder aber auch auf einen Gesundheitszustand der Mutter sein könnten, der dem Kindeswohl abträglich sein könne. Nach dem Vorliegen dieser Daten sei der Richter aber, iSd Wahrung des rechtlichen Gehörs, gehalten gewesen, diese Daten auch dem Rechtsvertreter des Vaters zu übermitteln. Dies hält sich im Rahmen der Rsp.