OGH: Aufteilungsverfahren iSd §§ 81 ff EheG – Ausgleichszahlung iZm Benützung der Ehewohnung
Die generelle Zurechnung eines Vermögensvorteils (in Höhe des fiktiven Mietzinses) für einen solchen „Wohnvorteil“ wird in der Rsp des OGH abgelehnt; die Ausgleichszahlung dient idR dazu, dem aus der Ehewohnung weichenden Ehegatten die Beschaffung einer dauerhaften Unterkunft zu ermöglichen; daher ist es konsequent, für die Räumung eine längere Leistungsfrist vorzusehen als für die Ausgleichszahlung
§§ 81 ff EheG
GZ 1 Ob 97/23f, 16.11.2023
OGH: Oberster Grundsatz bei der Aufteilung der Vermögenswerte ist die Billigkeit. Daher ist auch bei der Ausmessung der Ausgleichszahlung keine streng rechnerische Feststellung erforderlich, sondern eine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festzusetzen. Dabei sind sogar eine unrichtig angewendete Ermittlungsart oder eine unrichtige Gewichtung einzelner Bemessungselemente zu vernachlässigen, solange sich der Ausgleichsbetrag innerhalb des dem Gericht zukommenden Ermessensspielraums bewegt.
Der Gebrauchsvorteil, den der vormalige Ehepartner dadurch erlangt hat, dass er während des Aufteilungsverfahrens die Ehewohnung benutzt und sich die Kosten einer anderen Wohnmöglichkeit erspart, kann nach der Rsp des Fachsenats ebenfalls (nur) im Rahmen der Billigkeit bei der Aufteilungsentscheidung berücksichtigt werden.
Es mag zutreffen, wie die Frau geltend macht, dass sich die Parteien im Verfahren darauf „verständigt“ haben, den Vorteil des Mannes, weil er das Haus nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft weiter nutzen konnte, mit dem Ertragswert zu berücksichtigen. Gegenstand einer Außerstreitstellung können jedoch nur Tatsachenbehauptungen sein, nicht aber Rechtsausführungen oder das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsverhältnissen.
Wird daher – wie hier – kein Tatsachenkomplex zugestanden, sondern bloß ein rechtliches Element, auf dem der Anspruch beruht, für zutreffend erachtet, liegt weder ein (eingeschränktes) Anerkenntnis vor, noch kann eine solche Erklärung den Richter in seiner Rechtsanwendung binden. Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanzen an die Erklärung der Streitteile nicht gebunden erachteten und bei der Ermittlung des Gebrauchsvorteils nicht den vom Sachverständigen ermittelten Ertragswert (die fiktiven Mieteinnahmen) herangezogen haben, sondern berücksichtigten, dass der Wohnvorteil dem Mann nicht alleine zugute kam, weil er das Haus gemeinsam mit dem minderjährigen Sohn der Parteien bewohnte. Inwieweit die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum überschritten haben sollen, weil bei einer (allfälligen) Ermittlung des Unterhalts für den Minderjährigen die Wohnversorgung nicht mit der „Kopfquote“ (gemeint offensichtlich mit etwa der Hälfte des Ertragswerts) herangezogen werden würde, ist nicht zu erkennen.
Die generelle Zurechnung eines Vermögensvorteils (in Höhe des fiktiven Mietzinses) für einen solchen „Wohnvorteil“ wird in der Rsp des OGH abgelehnt. Darauf hat bereits das Rekursgericht zutreffend hingewiesen. Irrelevant ist damit auch, ob ein solcher (fiktiver) Mietertrag (fiktiv) brutto oder (fiktiv) netto heranzuziehen ist, sodass die Frau mit ihrem Hinweis, dazu fehle Rsp des OGH, auch keine erhebliche Rechtsfrage anspricht.
Zutreffend ist, dass den Feststellungen der Tatsacheninstanzen (auch) die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens zur Bewertung des von der Frau eingebrachten Grundes und der darauf bei Eheschließung bereits errichten Gebäude(-teile) – insbesondere einer Garage – zugrunde liegen. Aus dem Gutachten ergibt sich aber auch, dass die Garage nach der Eheschließung umfassend saniert und um einen Abstellraum erweitert wurde. Der Bauwert der Garage im Zustand vor Eheschließung betrug demnach lediglich ca 3.000 EUR. Damit kann die Frau nicht schlüssig darlegen, warum es eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung sein soll, dass die Vorinstanzen bei der Bemessung der Ausgleichszahlung nicht (wie von ihr im Ergebnis begehrt) den Bauwert der Garage samt Abstellraum im Zustand nach der Sanierung zur Gänze zu ihren Gunsten veranschlagten. In Anbetracht der ihr insgesamt zukommenden Vermögenswerte und des Umstands, dass sich die dem Mann zukommende Ausgleichszahlung wegen des Gebrauchsvorteils aus der Nutzung des Hauses beträchtlich reduziert, fällt der Umstand, dass die Vorinstanzen den Wert der Garage insgesamt gemeinsam mit der Wertsteigerung des Hauses als eheliche Errungenschaft ihrer Berechnung der Ausgleichszahlung zugrunde legten, betragsmäßig nicht ins Gewicht. Der von ihnen ausgemittelte Ausgleichsbetrag bewegt sich daher insgesamt innerhalb des Ermessensspielraums.
Es wurde bereits ausgesprochen, dass derjenige, der die Wohnung behält, den anderen gegebenenfalls durch eine Geldzahlung bei der Beschaffung einer neuen Wohnung zu unterstützen hat. Die Vorinstanzen haben den Umstand, dass sie die Ausgleichszahlung um ca 1.700 EUR auf 55.000 EUR aufrundeten, mit den Kosten des Mannes begründet, die ihm aus der Räumung des Hauses entstehen werden. Mit dieser Argumentation setzt sich die Frau nicht auseinander und kann damit auch keine Fehlbeurteilung dieser Frage aufzeigen. Die Ausgleichszahlung dient idR dazu, dem aus der Ehewohnung weichenden Ehegatten die Beschaffung einer dauerhaften Unterkunft zu ermöglichen. Daher ist es konsequent, für die Räumung eine längere Leistungsfrist vorzusehen als für die Ausgleichszahlung. Auch mit der darauf beruhenden Begründung des Rekursgerichts setzt sich die Frau in ihrem Rechtsmittel nicht auseinander und kann daher mit ihrem Hinweis, dass die Leistungsfrist nicht an die Fünfmonatsfrist für die Räumung des Hauses durch den Antragsteller geknüpft wurde, ebenfalls keine im Einzelfall allenfalls aufzugreifende Fehlbeurteilung aufzeigen.