OGH: Zum Sonderbedarf (Kosten einer Privatschule)
Erhält der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die „Luxusgrenze“ erreicht hat, muss der Sonderbedarf zusätzlich zugesprochen werden
§ 231 ABGB
GZ 4 Ob 153/23p, 17.10.2023
OGH: Erwächst einem unterhaltsberechtigten Kind ein Mehrbedarf, der über den allgemeinen Durchschnittsbedarf („Regelbedarf“) eines gleichaltrigen Kindes ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern hinausgeht, bilden diese Kosten einen Sonderbedarf. Dieser betrifft inhaltlich hauptsächlich die Erhaltung der (gefährdeten) Gesundheit, die Heilung einer Krankheit sowie die Persönlichkeitsentwicklung (insbesondere Ausbildung, Talentförderung und Erziehung) des Kindes.
Grundsätzlich können auch Ausbildungskosten als Sonderbedarf anerkannt werden. Daher dürfen Kosten des Besuchs einer Privatschule (hier: Waldorf-Schule) nicht von vornherein ausgeschieden werden; stehen aber in einem bestimmten Ausbildungsweg entgeltliche Privatschulen neben öffentlichen (unentgeltlichen) Schulen zur Verfügung, wird der Unterhaltsberechtigte (bzw der betreuende Elternteil) nach dem Grundsatz, dass bei gleichwertigen Alternativen stets die für den Unterhaltsverpflichteten weniger belastende den Vorzug genießt, grundsätzlich eine öffentliche Schule auszuwählen haben. Als besondere Gründe kommen etwa eine besondere Begabung des Kindes, die gerade durch den gewählten Schultyp gefördert werden kann, die Unterbringung in einer fremdsprachigen Schule nach vorangegangenem langjährigem Auslandsaufenthalt des Kindes oder ein besonderes berufliches Interesse und ein damit verbundener intensiver Wunsch des Kindes nach einem bestimmten Ausbildungsweg in Frage.
Stellt die öffentliche Schule keine gleichwertige Alternative dar und sprechen gerechtfertigte Gründe für den Besuch der vom Unterhaltsberechtigten (bzw dem betreuenden Elternteil) ausgewählten Privatschule, kann Schulgeld für diese Privatschule als Sonderbedarf anerkannt werden; auch der Zustimmung des Unterhaltspflichtigen zum Besuch einer Privatschule kommt idZ Bedeutung zu, wenngleich etwa dessen Bereitschaft, deren Kosten während der aufrechten Lebensgemeinschaft zu zahlen, für sich allein nicht für die Anerkennung eines entsprechenden Sonderbedarfs ausreichen muss. Erbringt der Unterhaltsschuldner ohnedies Unterhaltsleistungen, die den Regelbedarf beträchtlich übersteigen, ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung Sonderbedarf nur dann zu ersetzen, wenn dessen Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und der laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtung. Erhält jedoch der Unterhaltsberechtigte lediglich deshalb Unterhaltsbeiträge, die nicht der vollen Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechen, weil er schon die „Luxusgrenze“ erreicht hat, muss der Sonderbedarf zusätzlich zugesprochen werden, weil bei einer solchen Konstellation das Argument der nicht zu billigenden Überalimentierung des Unterhaltsberechtigten ins Leere ginge.