OGH: Zur Erfolgsaussichtsprüfung in der Rechtsschutzversicherung
Auch dann, wenn der Ausgang im zu deckenden Prozess bei Fehlen einer klaren Gesetzeslage von einer bisher nicht gelösten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht; eine Vorwegnahme des Ergebnisses des zu deckenden Prozesses im Deckungsprozess durch Klärung der dort gegenständlichen – bisher noch nicht gelösten – Rechtsfragen zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt ebenso wenig in Betracht, wie die Vorwegnahme der Klärung der Tatfragen; umgekehrt folgt daraus, dass eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen sehr wohl die Annahme rechtfertigen können, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht
Art 9 ARB
GZ 7 Ob 125/23t, 24.10.2023
OGH: In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen. Bei der Erfolgsaussichtsprüfung nach den ARB, können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs - oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insb bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand). Der Grundsatz in der Rechtsschutzversicherung, dass im Deckungsprozess die Beweisaufnahmen und die Feststellungen zu im Haftpflichtprozess relevanten Tatfragen zu unterbleiben haben und daher dem Versicherer eine vorweggenommene Beweiswürdigung verwehrt ist, gilt allgemein und damit auch für die Prüfung der Frage, ob nach den ARB ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist, als ein Obsiegen. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist aufgrund einer Prognose – im Fall eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, wenn eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt. Auch dann, wenn der Ausgang im zu deckenden Prozess bei Fehlen einer klaren Gesetzeslage von einer bisher nicht gelösten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Eine Vorwegnahme des Ergebnisses des zu deckenden Prozesses im Deckungsprozess durch Klärung der dort gegenständlichen – bisher noch nicht gelösten – Rechtsfragen zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt ebenso wenig in Betracht, wie die Vorwegnahme der Klärung der Tatfragen.
Umgekehrt folgt daraus, dass eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen sehr wohl die Annahme rechtfertigen können, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.