19.12.2023 Zivilrecht

OGH: Zum Widerrufsrecht bei „automatischer Verlängerung“ eines Fernabsatzvertrags

Wird der Verbraucher beim Abschluss des Vertrags in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert, dass die Erbringung der Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird, so reicht die Information des Verbrauchers über sein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) anfangs des Vertragsschlusses


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Vertragsabschluss im Fernabsatz, Belehrung, Widerrufsrecht, Dienstleistungen, kostenloser Zeitraum, automatische Verlängerung, Gesamtpreis, Nachhilfe
Gesetze:

 

§ 4 FAGG, § 8 FAGG, Art 6 ff RL 2011/83/EU

 

GZ 3 Ob 191/23v, 13.11.2023

 

OGH: Der EuGH hat die Vorlagefrage des OGH wie folgt beantwortet: “Art 9 Abs 1 der Verbraucherrechte-RL ist dahin auszulegen, dass dem Verbraucher das Recht, einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen, bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, der für den Verbraucher anfangs einen kostenlosen Zeitraum vorsieht, dem sich - falls der Verbraucher den Vertrag in diesem Zeitraum nicht kündigt oder widerruft - ein kostenpflichtiger Zeitraum anschließt, der sich, wenn dieser Vertrag nicht gekündigt wird, automatisch um einen bestimmten Zeitraum verlängert, nur ein einziges Mal zukommt, sofern er beim Abschluss des Vertrags vom Unternehmer in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert wird, dass die Erbringung dieser Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird.“

 

Der EuGH wies ua darauf hin, dass nach Art 6 Abs 1 lit e und Art 8 Abs 2 der Verbraucherrechte-RL eines der wesentlichen Merkmale eines Fernabsatzvertrags iS dieser RL der Gesamtpreis der Dienstleistungen ist, die Gegenstand des Vertrags sind, und dass es im vorliegenden Fall Sache des vorlegenden Gerichts sei zu prüfen, ob die Beklagte die Verbraucher klar, verständlich und ausdrücklich über den Gesamtpreis der betreffenden Dienstleistungen informiert hat.

 

Art 6 Abs 1 lit e und Art 8 Abs 2 der Verbraucherrechte-RL wurden durch § 4 Abs 1 Z 4 FAGG umgesetzt. Danach muss, bevor der Verbraucher durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, ihn der Unternehmer in klarer und verständlicher Weise ua über „den Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller Steuern und Abgaben“ informieren. Wenn - wie hier - ein elektronisch, jedoch nicht ausschließlich im Weg der elektronischen Post oder eines damit vergleichbaren individuellen elektronischen Kommunikationsmittels geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zu einer Zahlung verpflichtet, hat der Unternehmer den Verbraucher, unmittelbar bevor dieser seine Vertragserklärung abgibt, gem § 8 Abs 1 FAGG „klar und in hervorgehobener Weise auf die in § 4 Abs 1 Z 4 genannten Informationen hinzuweisen“.

 

Der Verbraucher wird hier beim Abschluss des Vertrags in klarer, verständlicher und ausdrücklicher Weise darüber informiert, dass die Erbringung der Dienstleistung nach dem anfänglich kostenlosen Zeitraum kostenpflichtig wird. Damit liegt kein Fall vor, in dem ausnahmsweise eine Information des Verbrauchers über sein Rücktrittsrecht (Widerrufsrecht) anfänglich des Vertragsschlusses nicht hinreicht.