05.12.2023 Zivilrecht

OGH: Zur Haftung des von einem deutschen RA beigezogenen Steuerberaters

Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten des Steuerberaters, der lediglich auf die Frist von 6 Wochen zur Einbringung einer Revision hinwies, nicht aber über das in § 87 Abs 3 VfGG normierte Erfordernis einer Abtretung an den VwGH in der dafür erforderlichen Frist von 14 Tagen informierte


Schlagworte: Schadenersatzrecht, internationales Privatrecht, Dienstleistungsvertrag, gewöhnlicher Aufenthalt, Dienstleister, Sachverständigenhaftung, Rechtsanwalt, Steuerberater, Mitverschulden, Verschuldensteilung
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, Art 4 Rom I-VO, Art 12 Rom I-VO, § 1299 ABGB, § 1304 ABGB

 

GZ 5 Ob 80/23k, 24.10.2023

 

OGH: Der Beklagte ist als Steuerberater berechtigt, als Vertreter vor dem VwGH einzuschreiten, er hat daher für die Kenntnis der einschlägigen Verfahrensvorschriften einzustehen. Er wurde aufgrund seiner Expertise und dieser Berechtigung von der klagenden deutschen Rechtsanwaltspartnergesellschaft beigezogen, um sie als Vertreterin ihrer Mandanten in Abgabenverfahren zu unterstützen. Sein Versäumnis beruht darauf, die Klägerin - die davon keine Kenntnis hatte - lediglich auf die Frist von 6 Wochen zur Einbringung einer Revision bzw den (vermeintlichen) Beginn des Fristenlaufs hingewiesen, nicht aber über das in § 87 Abs 3 VfGG normierte Erfordernis einer Abtretung an den VwGH in der dafür erforderlichen Frist von 14 Tagen informiert zu haben. Dass ihn das Berufungsgericht als Sachverständiger beurteilt hat und ihm diese Auskunft als Verschulden anlastete, ist daher nicht zu beanstanden:

 

Der Dienstleistungsbegriff erfasst unter Rückgriff auf das Gemeinschaftsrecht alle Verträge, die die entgeltliche Herbeiführung eines bestimmten faktischen Erfolgs und in Abgrenzung zum Arbeitsvertrag nicht nur die schlichte Verrichtung einer Tätigkeit zum Gegenstand haben. Ausgehend davon ist nicht zweifelhaft, dass der Auftrag an den Beklagten als Dienstleistung zu verstehen ist. Nach Art 4 Abs 1 lit b Rom I-VO unterliegen Dienstleistungsverträge dem Recht des Staats, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach Art 12 Abs 1 lit c Rom I-VO sind grundsätzlich alle vertragsrechtlichen Fragen, insbesondere auch solche des vertraglichen Schadenersatzes, nach dem einheitlichen Vertragsstatut zu beurteilen. Damit ist es nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Rechtsverhältnis der Streitteile nach österreichischem Recht prüfte.

 

Jeder, der eine besondere Tätigkeit ausübt, hat auch dafür einzustehen, dass er die nötigen Fähigkeiten hat. Sachverständiger ist jeder, der eine Tätigkeit ausübt, für die besondere Fähigkeiten notwendig sind. § 1299 ABGB gilt für alle Berufe und Geschäfte, die eine besondere Sachkenntnis und Anstrengung erfordern. Der vom Sachverständigen dabei einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab wird durch die typischen und demnach objektiv bestimmten Fähigkeiten eines Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises bestimmt. Entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe. Dass das Berufungsgericht hier von einer Verschuldensteilung 1 : 2 zu Lasten des Beklagten ausging, ist nicht zu beanstanden.