28.11.2023 Zivilrecht

OGH: Zum „Medienprivileg“ des § 9 DSG („Ibiza-Video“)

Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken kann sowohl die Aufzeichnung als auch die Veröffentlichung von Videoaufnahmen erfassen


Schlagworte: Datenschutzrecht, Datenverarbeitung, personenbezogene Daten, Auskunftsrecht, Bekanntgabe von Empfängern, Medienprivileg, journalistische Zwecke, Videoaufnahmen
Gesetze:

 

Art 15 DSGVO, § 9 DSG

 

GZ 6 Ob 205/22y, 23.10.2023

 

OGH: Gem Art 15 Abs 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und (ua) auf Informationen über a) die Verarbeitungszwecke, b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden, und c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden. Auf Letzteres - die Bekanntgabe von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind - bezieht sich hier das Klagebegehren.

 

§ 9 Abs 1 DSG nimmt die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes von der Anwendung der Kap II bis VII und IX DSGVO, daher auch von der Anwendung des Art 15 DSGVO, aus. Mit dieser Bestimmung machte der österreichische Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 85 Abs 2 DSGVO Gebrauch, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Abweichungen oder Ausnahmen von den Kap II bis VII und IX der DSGVO vorzusehen.

 

Das Verständnis der „journalistischen Zwecke“ hat sich am Unionsrecht zu orientieren. Nach der Rsp des EuGH ist der Begriff „Journalismus“ weit auszulegen. Journalistische Tätigkeiten sind demnach Tätigkeiten, die zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Die Befreiungen und Ausnahmen von Bestimmungen der DSGVO gelten daher nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist. Die Ausnahmen und Einschränkungen müssen sich in Bezug auf den Datenschutz auf das absolut Notwendige beschränken, um die Freiheit der Meinungsäußerung mit der ebenfalls grundrechtlich geschützten Privatsphäre in Einklang zu bringen.

 

Der EuGH verweist insofern auf die vom EGMR für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung entwickelten Kriterien. Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken kann sowohl die Aufzeichnung als auch die Veröffentlichung von Videoaufnahmen erfassen.