OGH: Zur Verpachtung des Kundenstocks eines Bilanzbuchhalters
Von der Frage der Zulässigkeit der Verpachtung des Kundenstocks als solche ist die Frage zu unterscheiden, ob der vereinbarte Pachtzins (auch) von jenem Umsatz abhängig gemacht und berechnet werden darf, der auf die Tätigkeiten der Pächterin zurückgeht, die sie im Rahmen ihrer Berufsberechtigung nach dem WTBG ausübt
§ 80 WTBG, § 122 WTBG, §§ 1 ff BiBuG, § 879 ABGB
GZ 5 Ob 42/23x, 25.09.2023
OGH: Das WTBG regelt die Wirtschaftstreuhandberufe Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (§ 1 Abs 1 WTBG). Den zur selbständigen Ausübung eines dieser Berufe Berechtigten ist es vorbehalten, die in den §§ 2 ff WTBG bezeichneten Tätigkeiten auszuüben. Die Bilanzbuchhaltungsberufe Bilanzbuchhalter, Buchhalter und Personalverrechner sind nicht im WTBG, sondern im Bilanzbuchhaltungsgesetz (BiBuG) geregelt.
§ 122 WTBG regelt die Verwertung des Klientenstocks eines Berufsberechtigten und erlaubt dessen entgeltliche Übertragung auf einen anderen Berufsberechtigten. Die Beschränkung der Übertragung auf einen Berufsberechtigten ist dabei logische Konsequenz des gesetzlichen „Berufsvorbehalts“ für Wirtschaftstreuhandberufe: Nur einem Berufsberechtigten ist es erlaubt, die von übertragenen Klienten erteilten Aufträge zur Ausübung der Tätigkeit als Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer zu übernehmen und zu erfüllen.
Hier ist nicht die Verwertung des Klientenstocks eines Berufsberechtigten nach dem WTBG Gegenstand des Pachtvertrags, sondern des Klientenstocks eines Bilanzbuchhalters nach dem BiBuG. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Verwertung des Kundenstocks eines Bilanzbuchhalters durch Verpachtung an einen insoweit Berufsberechtigten folgt aus den Prinzipien der Privatautonomie und Vertragsfreiheit. Von der Frage der Zulässigkeit der Verpachtung des Kundenstocks als solche ist aber die Frage zu unterscheiden, ob der vereinbarte Pachtzins (auch) von jenem Umsatz abhängig gemacht und berechnet werden darf, der auf die Tätigkeiten der Pächterin zurückgeht, die sie im Rahmen ihrer Berufsberechtigung nach dem WTBG ausübt.
Ein gesetzliches Verbot, den einem nicht zur Ausübung eines Wirtschaftstreuhandberufs Berechtigten zu zahlenden Pachtzins abrechnungspflichtig (auch) von dem Umsatz abhängig zu machen, der für von diesem Berufsvorbehalt erfasste Leistungen erzielt wurde, lässt sich nicht aus § 122 WTBG ableiten. Dieses ergibt sich jedoch aus der Verschwiegenheitspflicht des Wirtschaftstreuhänders: Gem § 80 WTBG sind Berufsberechtigte zur Verschwiegenheit über die ihnen anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet. Es ist ohne Bedeutung, ob die Kenntnis dieser Umstände und Tatsachen auch anderen Personen zugänglich ist oder nicht (§ 80 Abs 1 WTBG). Da bereits die Bekanntgabe der Tatsache und Höhe des dem jeweiligen Klienten aktuell verrechneten Honorars gegen diese Verschwiegenheitspflicht verstößt, ist die Vereinbarung eines auf Abrechnung solcher Umsätze basierenden Pachtzinses aufgrund der Übertretung eines gesetzlichen Verbots insoweit nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig.