OGH: § 529 Abs 1 Z 1 JN – Nichtigkeitsklage iZm Befangenheit des Richters?
Wenn eine erfolgreiche Ablehnung keinen Nichtigkeitsgrund verwirklichen kann, so kann eine noch nicht erfolgreich geltend gemachte Ablehnung dafür umso weniger geeignet sein
§ 529 ZPO, §§ 19 ff JN
GZ 3 Ob 145/23d, 05.10.2023
OGH: Nur die Ausgeschlossenheit kraft Gesetzes, nicht die Befangenheit des erkennenden Richters ist in § 529 Abs 1 Z 1 ZPO als Nichtigkeitsklagegrund angeführt. Es muss also bei einem erkennenden Richter einer der im § 20 JN erschöpfend aufgezählten Ausschließungsgründe vorliegen. In diesem Sinn kann eine Nichtigkeitsklage nicht auf die Behauptung einer noch nicht rechtskräftig festgestellten Befangenheit eines an der Entscheidung beteiligten Richters gestützt werden. Selbst eine Entscheidung durch einen schon rechtskräftig abgelehnten Richter kann nicht mit Nichtigkeitsklage bekämpft werden, weil ein Mangel dieser Art mit der formellen Rechtskraft der Entscheidung heilt.
Einen gesetzlichen Ausschließungsgrund (§ 20 JN) macht der Rekurswerber weder in der Klage noch in seinem Rechtsmittel geltend. Das Berufungsurteil sei von einem Richtersenat gefällt worden, gegen dessen Vorsitzenden der Kläger bereits mehrere Ablehnungsanträge in anderen Verfahren eingebracht habe; die jeweils geltend gemachte Befangenheit dieses Richters bestehe darin, dass er offenbar erhebliche Vorbehalte gegenüber der Person des Klägers habe. Damit begründet der Kläger sein Begehren ausschließlich mit Befangenheitsgründen, eine Ausgeschlossenheit eines beteiligten Richters behauptet er hingegen nicht.
Zu der vom Rekurswerber zitierten E 2 Ob 238/18s besteht entgegen seiner Rechtsansicht kein Widerspruch, weil diese über einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Ablehnungsentscheidung erging. Zur Frage der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage wegen Ausgeschlossenheit oder Befangenheit eines Richters enthält diese Entscheidung keine Aussage.
Aus den Gesetzesmaterialien zu § 529 ZPO geht hervor, dass die Mitwirkung eines mit Erfolg abgelehnten Richters dem Mangel der Ausgeschlossenheit eines an der Entscheidung beteiligten Richters nicht gleichwertig und „die außerordentliche Abhilfe der Nichtigkeitsklage“ daher nicht gerechtfertigt sei. Dass jedenfalls nach dem Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung eine allfällige Befangenheit eines beteiligten Richters nicht mehr geltend gemacht werden und daher eine Nichtigkeitsklage nicht rechtfertigen kann, entspricht außerdem der zu dieser Frage völlig einheitlichen Lehre. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendbarkeit des § 529 Abs 1 Z 1 ZPO auf Ablehnungsgründe zeigt das Rechtsmittel daher nicht auf.
Der Rekurswerber meint schließlich, die in der Begründung des angefochtenen Beschlusses zitierten Entscheidungen hätten sämtlich solche Fälle betroffen, in denen eine rechtskräftige Ablehnung eines Richters erfolgt sei, während hier über die Ablehnungsanträge noch gar nicht entschieden worden sei. Wenn aber eine erfolgreiche Ablehnung keinen Nichtigkeitsgrund verwirklichen kann, so kann eine noch nicht erfolgreich geltend gemachte Ablehnung dafür umso weniger geeignet sein.