OGH: Produkthaftung – zum Haftungsausschluss iSd § 8 Z 2 PHG
Für den Haftungsausschluss des § 8 Z 2 PHG ist nach der Rsp auf den höchsten Stand der Wissenschaft und Technik abzustellen, wie er im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des betreffenden Produkts existierte
§ 8 PHG, § 5 PHG
GZ 9 Ob 54/23s, 18.10.2023
OGH: Die Haftung nach dem PHG setzt einen Produktfehler voraus. Ein Produkt ist gem § 5 PHG fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Die Haftung kann (ua) durch den Nachweis ausgeschlossen werden, dass die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnte (§ 8 Z 2 PHG). Damit wird die Haftung für typische Entwicklungsrisiken ausgeschlossen, deren Kernelement darin liegt, dass die Gefährlichkeit einer bestimmten Produkteigenschaft beim Inverkehrbringen nicht erkennbar war.
Die in der Revision als entscheidend bezeichnete Rechtsfrage nach dem Verhältnis zwischen begründeten Sicherheitserwartungen des Geschädigten und dem Stand der Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens, ist von der Rsp geklärt. Ausschlaggebend für das Vorliegen eines Produktfehlers sind die berechtigten Sicherheitserwartungen, ein objektiver Maßstab, dessen Konkretisierung im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen ist. Der Standard von Wissenschaft und Technik konkretisiert die berechtigten Sicherheitserwartungen des durchschnittlichen Produktbenützers. Erst bei Bejahung eines Produktfehlers kann der Haftungsausschluss der mangelnden Erkennbarkeit dieses Produktfehlers nach § 8 Z 2 PHG zum Tragen kommen.
Der Hinweis des Klägers auf die getroffenen Feststellungen, wonach der Bruch des Prothesenschafts nach wenigen Jahren die zu erwartende Haltbarkeit eines Implantats unterschreitet, betrifft die – von den Vorinstanzen übereinstimmend bejahte – Frage des Vorliegens eines Produktfehlers. Dadurch wird die Prüfung des Haftungsausschlusses des § 8 Z 2 PHG, ob dieser Produktfehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik als solcher erkannt werden konnte, erst eröffnet. Eine unrichtige Beurteilung der Voraussetzungen dieses Haftungsausschlusses durch das Berufungsgericht zeigt die Revision damit nicht auf.
Dem Kläger ist insofern zuzustimmen, als für den Haftungsausschluss des § 8 Z 2 PHG nach der Rsp auf den höchsten Stand der Wissenschaft und Technik abzustellen ist, wie er im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des betreffenden Produkts existierte. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers sind diese Voraussetzungen nach den getroffenen Feststellungen erfüllt.
Der Argumentation des Klägers, dass das Erstgericht im Rahmen der Beweiswürdigung festgehalten habe, dass andere modulare Systeme bereits 2006 eine erhöhte Bruchrate aufgewiesen hätten, woraus sich ergebe, dass (wohl gemeint: bekannt gewesen sei, dass) modulare Systeme (generell) eine erhöhte Bruchrate aufgewiesen hätten, hielt bereits das Berufungsgericht die weiteren auf den Ausführungen des Sachverständigen beruhenden Erwägungen des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung entgegen, dass aus der Bruchrate anderer modularer Systeme keine Rückschlüsse auf das hier verwendete System gezogen werden könnten, weil jedes System (wegen unterschiedlicher Konstruktion und der Verwendung anderer Materialien) anders sei.
Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO. Wenn das Berufungsgericht die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen des Erstgerichts dahin interpretierte, dass im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des gegenständlichen Implantats weder die Bruchgefährlichkeit der konkreten Konstruktion per se noch ein dahingehender Verdacht erkennbar gewesen sei, hält sich dies im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums.