31.10.2023 Zivilrecht

OGH: Zum Regress in der Leitungswasserschaden-Versicherung

Die Frage, ob das Sachersatzinteresse des Mieters in die Sachversicherung des Vermieters durch Regressverzicht einbezogen wurde, ist durch Auslegung des Vertrags nach § 914 ABGB zu klären


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Leitungswasserschadenversicherung, Sachversicherung, Mitversicherter, Mieter, Nutzer, Prämie, Überwälzung, Betriebskosten, Regress
Gesetze:

 

§ 67 VersVG, § 80 VersVG, § 863 ABGB, § 914 ABGB

 

GZ 7 Ob 99/23v, 27.09.2023

 

OGH: Die Versicherung gegen Leitungswasser bietet Schutz gegen Schäden, die durch den Eintritt von Wasser aus Zu- oder Ableitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs-, Warmwasserversorgungs- oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen entstehen (Sacherhaltungsinteresse). Sie ist eine Sachversicherung. Neben dem Sacherhaltungsinteresse des Eigentümers besteht ein Interesse der Personen, die mit der Sache in Berührung kommen (insbesondere Sachnutzer), daran, nicht wegen der Beschädigung oder Zerstörung oder des Verlustes der Sache haftpflichtig zu werden (Sachersatzinteresse). Für den Schutz dieses Interesses kommen eine mietvertragliche und eine versicherungsvertragliche Lösung in Betracht. Bei der mietvertraglichen Lösung handelt es sich um die Haftungsbeschränkung im Mietvertrag, die versicherungsrechtliche Lösung kommt in Form der Versicherung des Interesses (Mitversicherung) oder eines zwischen VN und Versicherer von vornherein vereinbarten Regressverzichts in Betracht. Eine Haftungsbeschränkung im Mietvertrag zwischen VN und Mieter schlägt auch auf den Regressanspruch des Versicherers durch.

 

Die Mitversicherung des Sachersatzinteresses hat zur Folge, dass der Versicherer im Schadenfall gegen diesen Personenkreis keinen Regress nehmen kann, wenn er den geschädigten Eigentümer entschädigt hat: Nach § 80 Abs 1 VersVG gilt eine Versicherung nur dann für eigene Rechnung genommen, wenn sich aus den Umständen nicht ergibt, dass sie für einen anderen genommen werden soll. Die Fremdversicherung muss in der Polizze nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Der OGH geht nunmehr davon aus, dass die Auslegung des Sachversicherungsvertrags eine Einbeziehung des Sachersatzinteresses des Mieters in Form eines konkludenten Regressverzichts des Versicherers für Fälle der leichten Fahrlässigkeit ergeben kann. Die Frage, ob das Sachersatzinteresse des Mieters in die Sachversicherung des Vermieters durch Regressverzicht einbezogen wurde, ist durch einfache Auslegung des Vertrags nach § 914 ABGB zu klären.

 

Hier war in der Polizze ausdrücklich angeführt, dass es sich beim versicherten Gebäude um ein „Mietshaus“ handelt; ein Hinweis des Versicherers auf die am Versicherungsmarkt grundsätzlich bestehende Möglichkeit der Vereinbarung eines Regressverzichts zu Gunsten der Mieter steht nicht fest. Ein redlicher Erklärungsempfänger durfte daher darauf vertrauen, dass der Versicherer jedenfalls auf Regressansprüche wegen leichter Fahrlässigkeit gegen jene Mieter, auf die ihr VN die Prämien überwälzt, verzichtet. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin gegenüber dem beklagten Mieter ihrer VN auf den Regress von leicht fahrlässig verursachten Schäden (konkludent) verzichtete.