OGH: Zum Mitverschulden iSd § 1304 ABGB
Es unterliegen nur jene Schäden der Teilung, derentwegen das Verhalten des Geschädigten als unvorsichtig bzw sorglos anzusehen ist
§ 1304 ABGB, § 1311 ABGB
GZ 2 Ob 149/23k, 19.09.2023
OGH: Das Mitverschulden iSd § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinne voraus. Auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt.
Eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern liegt dann vor, wenn jene Sorgfalt außer Acht gelassen wird, die nach dem allgemeinen Bewusstsein der beteiligten Kreise von jedem Einsichtigen und Vernünftigen eingehalten worden wäre, um eine Schädigung zu verhindern. Dies setzt voraus, dass die Gefahr erkannt wurde oder zumindest bei gehöriger Sorgfalt erkennbar gewesen wär.
Einer Sorglosigkeit kommt nur dann Relevanz zu, sofern sie für den Schaden kausal ist. Wirkt sich sorgloses Verhalten gegenüber eigenen Rechtsgütern nicht kausal auf den Eintritt oder die Höhe des Schadens aus, führt dies nicht zur Entlastung des Schädigers. Diesen Schaden hat er voll zu ersetzen.
Darüber hinaus bedarf es eines „Mitverschuldenszusammenhangs“. Soweit das Mitverschulden aus der Verletzung eines Schutzgesetzes resultiert, ist danach zu fragen, ob die übertretene Norm ein Schadensereignis wie das eingetretene verhindern wollte. Der „Mitverschuldenszusammenhang“ ist aber auch abseits von Schutzgesetzverletzungen beachtlich. Es unterliegen zusammengefasst daher nur jene Schäden der Teilung, derentwegen das Verhalten des Geschädigten als unvorsichtig bzw sorglos anzusehen ist.
Der Kläger hat sich seine Verletzungen nicht durch einen auf die fehlende Absturzsicherung zurückzuführenden Sturz zugezogen. Die Gefahr der fehlenden Absturzsicherung hat sich nicht verwirklicht. Die Anrechnung eines Mitverschuldens aufgrund einer Sorglosigkeit iZm dem Betreten der Plattform trotz fehlender Absturzsicherung kommt daher mangels Mitverschuldenszusammenhangs nicht in Betracht.
Ursächlich für den Sturz war vielmehr die fehlende Verbindung der Plattformteile und die sich daraus ergebende Gefahr der Instabilität. Diese konnte der Kläger nach den Feststellungen aber nicht erkennen, sodass insoweit die Anrechnung eines Mitverschuldens ausscheidet.
Berücksichtigt man überdies, dass die Plattform zuvor sogar für die Lagerung schwerer Lasten (Ziegelpalette) und die Beförderung schwerer Maschinen in das Gebäude genutzt wurde, kann dem Kläger iZm dem bloßen Betreten der Plattform zur Schuttentsorgung kein Mitverschulden angelastet werden.
Es war daher mit Teilzwischenurteil auszusprechen, das das Zahlungsbegehren dem Grunde nach (zur Gänze) zu Recht besteht.