15.10.2023 Verfahrensrecht

VwGH: Zur Auskunftserteilung nach Art 20 Abs 4 B-VG

Der VwGH hat schon mehrfach ausgesprochen, dass die Auskunftspflicht nach den Auskunftspflichtgesetzen gleichermaßen im Bereich der Hoheitsverwaltung wie in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung besteht


Schlagworte: Auskunftserteilung, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung
Gesetze:

 

Art 20 B-VG

 

GZ Ra 2022/10/0166, 22.08.2023

 

VwGH: Der VwGH hat in einer Reihe von Entscheidungen zum Anwendungsbereich der Art 20 Abs 4 B-VG umsetzenden Auskunftspflichtgesetze einen umfassenden Ansatz vertreten; danach knüpft Art 20 Abs 4 B-VG mit der Wendung „alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe“ nicht an einen organisatorischen, sondern einen funktionellen Organbegriff an. Damit werden nicht nur Organe, die organisatorisch den Gebietskörperschaften zuzurechnen sind und Verwaltungsaufgaben besorgen, zur Auskunftserteilung nach Art 20 Abs 4 B-VG verpflichtet, sondern auch solche, die - ohne organisatorisch in die Verwaltungsorganisation eingegliedert zu sein - mit der „Besorgung von Verwaltungsaufgaben“ betraut sind.

 

Eine „systematische Reduktion“ des ersten Satzes des Art 20 Abs 4 B-VG kommt wegen des erschließbaren Willens des historischen Gesetzgebers nicht in Betracht. Es ist davon auszugehen, dass dann, wenn der einfache Gesetzgeber erkannt hätte, dass er auch für die beliehenen und die sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts eine Regelung zu treffen gehabt hätte, er von dieser (durch Analogie anzunehmenden) Kompetenz auch Gebrauch gemacht und - weil Art 20 Abs 4 B-VG die größtmögliche Einheitlichkeit der Vorschrift über die Auskunftspflicht zum Ziel hat - für diese die gleichen Regelungen getroffen hätte.

 

Auch wenn die belBeh nicht organisatorisch in den Magistrat der Stadt Wien (oder die Wiener Landesregierung) eingegliedert sein mag, so kommt ihr doch bei der Besorgung von durch das CGW übertragenen (öffentlichen) Aufgaben - so etwa jener der im Mittelpunkt des Auskunftsbegehren des Revisionswerbers stehenden Leistung des vollbetreuten Wohnens nach § 12 Abs 2 CGW, auf welche gem § 2 Abs 2 CGW ein Rechtsanspruch besteht - eine zentrale Rolle zu; die belBeh ist - wie § 2 Abs 1 CGW ausdrücklich normiert - „Träger der Behindertenhilfe“ in Wien.

 

Der belBeh ist somit die Besorgung von Verwaltungsaufgaben übertragen, woran nichts zu ändern vermag, dass die belBeh dabei als „Träger von Privatrechten“, wie das VwG hervorhebt, tätig wird; der VwGH hat schon mehrfach ausgesprochen, dass die Auskunftspflicht nach den Auskunftspflichtgesetzen gleichermaßen im Bereich der Hoheitsverwaltung wie in jenem der Privatwirtschaftsverwaltung besteht.

 

Ausgehend von der Anwendung des Wiener Auskunftspflichtgesetzes auf das gegenständliche, an die belBeh gerichtete Auskunftsbegehren des Revisionswerbers ist diese allerdings als jenes Organ, an welches Auskunftsbegehren und Antrag auf Bescheiderlassung gerichtet waren, im Fall der Verweigerung einer Auskunft ermächtigt und verpflichtet, einen Bescheid nach § 3 (Abs 3) Wiener Auskunftspflichtgesetz zu erlassen.

 

Die vom VwG (allein) aufgrund seiner Auffassung, dass eine solche Bescheiderlassung durch die belBeh „nicht in Betracht“ komme, mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Zurückweisung der Säumnisbeschwerde des Revisionswerbers erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig.