OGH: Zur Verjährung von Amtshaftungsansprüchen
Die zu Unrecht festgenommenen bzw angehaltenen Kläger waren zur Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG iSd § 2 Abs 2 AHG gerade nicht verpflichtet, weil diese den durch die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung unmittelbar entstandenen Schaden nicht mehr abwenden konnte
§§ 1 f AHG, § 6 AHG, Art 130 B-VG
GZ 1 Ob 87/23k, 13.07.2023
OGH: Nach § 6 Abs 1 S 1 AHG verjähren Ersatzansprüche nach § 1 Abs 1 AHG in 3 Jahren nach Ablauf des Tages, an dem der Schaden dem Geschädigten bekannt geworden ist, keinesfalls aber vor einem Jahr nach Rechtskraft einer rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung. Ersatzansprüche für Schäden, die auch durch Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden können, beginnen mit dem Eintritt des tatsächlichen Schadens oder mit dem Eintritt der ersten Schadensfolge, die nicht mehr abgewendet werden kann, zu verjähren; die Verjährungsfrist endet aber erst ein Jahr nach Rechtskraft der schadensverursachenden Entscheidung oder Verfügung. § 6 Abs 1 AHG sieht ähnlich § 1494 ABGB eine Ablaufhemmung vor. Durch diese Bestimmung soll die Position des Geschädigten verbessert werden, weil die Verjährung jedenfalls nicht vor einem Jahr nach Rechtskraft der rechtsverletzenden Entscheidung oder Verfügung eintritt, auch wenn der Schaden bereits durch die Entscheidung erster Instanz entsteht und durch Rechtsmittel nicht mehr abgewendet werden kann.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Verjährungsfrist mit Setzung der rechtswidrigen Maßnahmen durch die Organe der Beklagten, nämlich der Festnahme und Anhaltung der Kläger, um sie dann nach Polen abzuschieben, begonnen hat und (nur) durch § 6 Abs 1 S 3 AHG gehemmt wurde und daher bei Klageeinbringung abgelaufen war, steht mit dieser Rechtslage in Einklang.
Daran ändert nichts, dass das Amtshaftungsgericht an eine rechtskräftige Entscheidung (nicht nur des VwGH, sondern auch) eines VwG gebunden sein mag. Die Ansicht der Kläger liefe letztlich darauf hinaus, dass ein späterer Amtshaftungskläger zur Erhebung einer Beschwerde an das VwG nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG verpflichtet wäre, weil das Amtshaftungsgericht selbst einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, gegen dessen Ausübung keine Maßnahmenbeschwerde ergriffen wurde, nicht als rechtswidrig beurteilen dürfte. Dies stünde aber mit dem System des Amtshaftungsrechts nicht in Einklang, das eine Verpflichtung des späteren Amtshaftungsklägers, Rechtsbehelfe gegen schädigendes Organverhalten zu ergreifen, nur im Rahmen der Rettungspflicht („Subsidiarität der Amtshaftung“) kennt. Zur Erhebung einer Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG an das BVwG waren die Kläger iSd § 2 Abs 2 AHG aber gerade nicht verpflichtet, weil diese den durch die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung unmittelbar entstandenen Schaden nicht mehr abwenden konnte.