12.09.2023 Verfahrensrecht

OGH: HeimAufG – ausreichend bestimmter Antrag

Auch im Verfahren nach dem HeimAufG muss der Antrag ausreichend bestimmt sein; er muss zwar kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Entscheidung der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet; die vom Gericht zu prüfende Freiheitsbeschränkung muss in diesem Sinn beschrieben sein


Schlagworte: Außerstreitverfahren, Heimaufenthaltsrecht, ausreichend bestimmter Antrag
Gesetze:

 

§ 9 AußStrG, HeimAufG, § 226 ZPO

 

GZ 7 Ob 77/23h, 28.06.2023

 

OGH: Auch im Verfahren nach dem HeimAufG muss der Antrag ausreichend bestimmt sein. Er muss zwar kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend deutlich erkennen lassen, welche Entscheidung der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Die vom Gericht zu prüfende Freiheitsbeschränkung muss in diesem Sinn beschrieben sein.

 

Bei der Auslegung von Prozesshandlungen sind objektive Maßstäbe anzulegen und nicht die Auslegungsregeln für Rechtsgeschäfte (§§ 914 ff ABGB) heranzuziehen; insbesondere ist nicht der Parteiwille zu erforschen. Maßgebend ist damit der objektive Erklärungswert des Antrags. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung des Prozessrechts und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozess

- und Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Auch die Auslegung von außerstreitigen Anträgen ist einzelfallbezogen, und bildet daher – von Fällen krasser Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

 

Der Verein begehrte mit Antrag vom 16. 2. 2023 „die Prüfung der Zulässigkeit der freiheitsbeschränkenden Maßnahmen: Festhalten ab 15. 12. 2022“. Abgesehen davon, dass die inhaltlichen Ausführungen des verfahrenseinleitenden Antrags an keiner Stelle ein „Hinaustragen des Minderjährigen“ erwähnen, zielen sie im Übrigen ausschließlich darauf ab, dass das Erstgericht erheben soll, „ob die getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig im Bezug zur Gefahr waren; zum Zeitpunkt der Vornahme der Freiheitsbeschränkung eine ernstliche und erhebliche Fremd-/Selbstgefährdung vorlag; ob diese mögliche Gefährdung durch gelinderte Mittel begrenzt werden hätte können und ob die Maßnahmen unter Einhaltung fachgemäßer Standards und unter möglichster Schonung des Minderjährigen durchgeführt wurden“.

 

Wenn die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund den Antrag nach seinem Wortlaut zwar als zeitlich offen formuliert ansahen, aufgrund der konkreten inhaltlichen Ausführungen aber davon ausgingen, dass sich der Prüfungsgegenstand nur auf – zwischen 12. 12. 2022 und 16. 2. 2023 – bereits stattgefundene Eingriffe des Festhaltens beziehen würden und daher insoweit auf eine nachträgliche Überprüfung gerichtet seien, ist dies jedenfalls vertretbar.

 

Anders als im vorliegenden Fall ging in der vom Verein herangezogenen Entscheidung 7 Ob 161/21h der Prüfungsgegenstand aus dem verfahrenseinleitenden Antrag auch durch Auslegung nicht hinreichend deutlich hervor.