15.08.2023 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur bösgläubigen Anmeldung einer Marke

Bösgläubigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Anmelder ohne konkrete Geschäftsbeziehung mit potentiellen Nutzern eine Vielzahl von Marken mit geringer oder fehlender Kennzeichnungskraft anmeldet, nur ein geringer Teil dieser Anmeldungen tatsächlich zu einer Registrierung führt und ein realistisches Geschäftsmodell für eine über das Geltendmachen von Unterlassungs- und Zahlungsansprüchen hinausgehende Nutzung dieser Marken nicht erkennbar ist


Schlagworte: Markenrecht, Markenanmeldung, Registrierung, Bösgläubigkeit, Löschung, Behinderung Dritter, Nichtbenutzung, Zweck, Geltendmachung, Unterlassungsanspruch, Zahlungsanspruch
Gesetze:

 

§ 34 MSchG

 

GZ 4 Ob 54/23d, 27.06.2023

 

OGH: Gem § 34 MSchG kann jedermann die Löschung einer Marke begehren, wenn der Anmelder bei der Anmeldung bösgläubig war. Der Begriff der „Bösgläubigkeit“ ist ein unionsrechtlicher Begriff, der einheitlich auszulegen ist. Ob eine Anmeldung bösgläubig war, ist nach der Rsp des EuGH „umfassend“ zu beurteilen, wobei alle im konkreten Fall „erheblichen Faktoren“ zu berücksichtigen sind.

 

Bösgläubigkeit wurde bisher in erster Linie bei Verletzung von Loyalitätspflichten oder bei Behinderung eines bereits das Zeichen nutzenden Dritten bejaht. Der Rsp lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass Bösgläubigkeit auf diese Fallgruppen beschränkt wäre.

 

Bösgläubiger Markenrechtserwerb iSd § 34 MSchG setzt die Absicht des Anmelders voraus, mit der Registrierung eines von einem Dritten bereits benutzten Zeichens als Marke eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein; es genügt, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt. Eine Markenanmeldung ist auch dann bösgläubig, wenn sie ohne eigene Benutzungs- oder Vermarktungsabsicht erfolgt, sondern hauptsächlich dazu dient, dritte Unternehmen, die später gleiche oder ähnliche Zeichen nutzen, auf Unterlassung und Zahlung in Anspruch zu nehmen. Das ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Anmelder ohne konkrete Geschäftsbeziehung mit potentiellen Nutzern eine Vielzahl von Marken mit geringer oder fehlender Kennzeichnungskraft anmeldet, nur ein geringer Teil dieser Anmeldungen tatsächlich zu einer Registrierung führt und ein realistisches Geschäftsmodell für eine über das Geltendmachen von Unterlassungs- und Zahlungsansprüchen hinausgehende Nutzung dieser Marken nicht erkennbar ist.

 

Bösgläubigkeit ist dann anzunehmen, wenn dem Markeninhaber im Zeitpunkt der Anmeldung bekannt war, dass Mitbewerber für ähnliche oder identische Waren Zeichen verwenden, die dem von ihm als Marke angemeldeten Zeichen verwechselbar ähnlich sind. Zeitlich relevant für die Beurteilung ist ausschließlich der Zeitpunkt der Anmeldung. Nicht mehr verfolgbar ist nach dieser Bestimmung ein späteres sittenwidriges Verhalten des Anmelders bzw des Markeninhabers.