25.07.2023 Zivilrecht

OGH: Zum Lagezuschlag nach § 16 Abs 2 Z 3 MRG

Die Berücksichtigung der jenseits des Wienflusses gelegenen Lagemerkmale auszuschließen, überzeugt nur dann, wenn im konkreten Einzelfall die Möglichkeiten der Überquerung tatsächlich eingeschränkt sind und die Erreichbarkeit der auf der anderen Uferseite gelegenen Einrichtungen erschwert ist


Schlagworte: Mietrecht, Lagezuschlag, Referenzgebiet, Wien, Gemeindebezirk, Infrastruktur, Bezirksgrenze, natürliche Grenze, Barriere, Wienfluss, Überquerung, Erreichbarkeit
Gesetze:

 

§ 16 MRG, § 2 RichtWG

 

GZ 5 Ob 27/23s, 31.05.2023

 

OGH: Gem § 16 Abs 4 MRG ist ein Lagezuschlag (ua) nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage (§ 2 Abs 3 RichtWG). Ob eine konkrete Lage (Wohnumgebung) aufgrund ihrer Eigenschaften als „besser als durchschnittlich“ zu qualifizieren ist, ist nach der allgemeinen Verkehrsauffassung und der Erfahrung des täglichen Lebens zu beurteilen. Dazu bedarf es eines wertenden Vergleichs mit anderen Lagen (Wohnumgebungen). In Wien ist als Referenzgebiet für die Beurteilung der Durchschnittlichkeit der Lage eines Hauses nicht regelhaft maximal der jeweilige Gemeindebezirk heranzuziehen, sondern auf jene Teile des Wiener Stadtgebiets abzustellen, die einander nach der Verkehrsauffassung in ihren Bebauungsmerkmalen gleichen und daher ein einigermaßen einheitliches Wohngebiet bilden.

 

Das hier zu beurteilende Haus liegt im 14. Wr Gemeindebezirk. Das Erstgericht traf detaillierte Feststellungen zur Infrastruktur im weitesten Sinn. Die festgestellte Infrastruktur betrifft zu einem guten Teil den Bereich des Hietzinger Platzes. Die Einrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten dort sind nur durch Überquerung des Wienflusses sowie der auf beiden Seiten stark befahrenen Einfahrts- und Ausfahrtsstraßen der Stadt zu erreichen. Das Rekursgericht berücksichtigte diese Einrichtungen und Versorgungsmöglichkeiten im 13. Bezirk bei der Beurteilung der Lagequalität des Hauses nicht, weil der Wienfluss und die zu beiden Seiten befindlichen Fahrbahnen eine natürliche Grenze und Barriere der Erreichbarkeit seien. Die Infrastruktur im 13. Bezirk möge für die Bewohner auf der anderen Seite des Wienflusses attraktiv sein, die Qualität der hier relevanten Wohnumgebung im 14. Bezirk beeinflusse sie nicht. Naturräumliche Grenzen wie etwa die Donau, der Donaukanal, aber auch der Wienfluss trennten die relevante Wohnumgebung; diese ende ausnahmsweise tatsächlich an der Bezirksgrenze. Die Vorteile des 13. Bezirks könnten daher bei der Beurteilung einer Lage im 14. Bezirk nicht berücksichtigt werden.

 

Die Aussage, der Wienfluss als natürliche (und zugleich politische) Grenze begrenze auch die zu beurteilende konkrete Lage (Wohnumgebung), kann nicht verallgemeinert werden. Die Berücksichtigung der (jeweils) jenseits des Wienflusses gelegenen Lagemerkmale auszuschließen, überzeugt viel mehr nur dann, wenn im konkreten Einzelfall die Möglichkeiten der Überquerung tatsächlich eingeschränkt sind, die Erreichbarkeit der auf der anderen Uferseite gelegenen Einrichtungen also erschwert ist und diese daher nach der Verkehrsauffassung die Lage nicht charakterisieren.