OGH: Zur Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG
Die Mitgliederversammlung eines Vereins kann in den Statuten nicht als Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG vorgesehen werden
§ 5 VerG, § 8 VerG
GZ 2 Ob 25/23z, 16.05.2023
OGH: Nach § 8 Abs 1 VerG haben die Statuten vorzusehen, dass Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis vor einer Schlichtungseinrichtung auszutragen sind. Sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht früher beendet ist, steht für Rechtsstreitigkeiten nach Ablauf von 6 Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung der ordentliche Rechtsweg offen. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Mitglieds aus dem Verein oder über das Weiterbestehen von Mitgliedschaftsrechten fallen unter das zwingende vereinsinterne Schlichtungsverfahren. Dasselbe gilt für die hier gegenständliche Frage der Zugehörigkeit des Klägers zum Vorstand des beklagten Vereins. Die Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG strebt eine außergerichtliche Beilegung von Vereinsstreitigkeiten an. Demgemäß ist die Schlichtungseinrichtung zur Beilegung bzw Schlichtung der rechtlichen als auch bloßen Vereinsstreitigkeiten berufen und erstattet in Vereinsrechtsstreitigkeiten einen Schlichtungsvorschlag, der den Streitparteien zur Konfliktlösung vorgeschlagen wird.
Die Mitgliederversammlung, die nach vielen Vereinsstatuten mit einem Rechtsmittel gegen den Vereinsausschluss angerufen werden kann, ist keine Schlichtungseinrichtung: Bei ihr kann von einer paritätischen Zusammensetzung des Entscheidungsgremiums keine Rede sein, denn die Mitgliederversammlung ist das wichtigste Organ des Vereins, der (durch ein anderes Organ) das Mitglied aus dem Verein ausgeschlossen hat, also genau genommen der Konfliktgegner des ausgeschlossenen Mitglieds. Ist die Mitgliederversammlung nach den Statuten dazu berufen, über ein Rechtsmittel des Mitglieds gegen dessen Vereinsausschluss zu entscheiden, handelt es sich dabei um einen vereinsinternen Rechtszug. Die Mitgliederversammlung dient nach § 5 Abs 1 VerG der gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder. Mit dieser Kompetenzzuweisung unterscheidet sich die Mitgliederversammlung grundlegend von der in § 8 VerG definierten Schlichtungseinrichtung hinsichtlich Zusammensetzung, Zweck und Funktion. Die Willensbildung in der Mitgliederversammlung erfolgt regelmäßig durch Abstimmung der Vereinsmitglieder. Wie dabei die Mitgliederversammlung der der Schlichtungseinrichtung obliegenden Pflicht, die Streitschlichtung zu versuchen, nachkommen können sollte, ist unerfindlich: Die Abstimmung kann zwar eine Entscheidung herbeiführen, kann aber den der Schlichtungseinrichtung aufgetragenen Schlichtungsvorschlag nicht ersetzen und insoweit nicht zur gütlichen Streitschlichtung beitragen. Die Mitgliederversammlung ist somit nicht geeignet, die Aufgaben der Schlichtungseinrichtung wahrzunehmen und kann in den Statuten nicht als Schlichtungseinrichtung iSd § 8 VerG vorgesehen werden.