20.06.2023 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zum Anfechtungsausschluss des § 67a Abs 4 ASVG

Der Anfechtungsausschluss des § 67a Abs 4 ASVG bezieht sich nicht bloß auf die Zahlung des Auftraggebers an das Dienstleistungszentrum, sondern auch auf eine Verrechnung nach § 67a Abs 6 ASVG


Schlagworte: Insolvenzrecht, Haftung bei Beauftragung zur Erbringung von Bauleistungen, Insolvenzanfechtung, Anfechtungsausschluss, Auftraggeberhaftung, Sozialversicherungsbeiträge, Haftungsbetrag, Dienstleistungszentrum
Gesetze:

 

§ 31 IO, § 67a ASVG

 

GZ 17 Ob 6/23s, 27.04.2023

 

OGH: Nach § 67a Abs 3 Z 2 ASVG entfällt die Haftung des eine Bauleistung beauftragenden Unternehmens für Krankenversicherungsbeiträge des Subunternehmers, wenn das den Auftrag gebende Unternehmen 20% des zu leistenden Werklohnes (Haftungsbetrag) gleichzeitig mit der Leistung des Werklohnes an das Dienstleistungszentrum (§ 67c ASVG) überweist. Gem Abs 4 leg. cit wirkt die Überweisung nach Abs 3 Z 2 gegenüber dem beauftragten Unternehmen schuldbefreiend; sie gilt als Drittleistung und unterliegt nicht dem Zweiten Abschnitt des Ersten Hauptstückes des Ersten Teiles der IO.

 

Nach dem Wortlaut des § 67a Abs 4 ASVG könnte fraglich sein, ob sich der Anfechtungsausschluss nur auf die Zahlungen des Auftraggebers an das Dienstleistungszentrum bezieht oder aber auch auf Verrechnungen mit anderen Verbindlichkeiten des Auftragnehmers iSd § 67a Abs 6 ASVG.

 

Die konkursrechtliche Privilegierung punkto Anfechtbarkeit der Leistung des Haftungsbetrags findet nach den Mat ihre Rechtfertigung darin, dass die Sozialversicherungsträger zum einen über ihre Beitragsschuldner nicht disponieren können, zum anderen (im Unterschied zum Fiskus) jedoch konkrete Leistungspflichten gegenüber den Versicherten und sonstigen Anspruchsberechtigten haben, die im Wesentlichen durch Beiträge zu finanzieren sind. Hieraus resultiert ein vehementes öffentliches Interesse an der Sicherung der Finanzierung der Sozialversicherung, die durch Praktiken der Beitragshinterziehung - wie sie gerade durch diese Haftungsregelung eingedämmt werden sollten - bedroht ist. Durch die Statuierung, den geleisteten Haftungsbetrag der Anfechtung im Konkursverfahren zu entziehen, wird somit eine sachlich begründete, stark eingegrenzte Ausnahmeregelung getroffen, die zur Hintanhaltung der spezifischen Probleme im Baubereich beiträgt.

 

Schon aus diesem Gesetzeszweck wird deutlich, dass der Anfechtungsausschluss auch für die Verrechnung nach § 67a Abs 6 ASVG gelten muss, weil nur so das Ziel erreicht werden kann, die Finanzierung der Sozialversicherung zu sichern. Der Anfechtungsausschluss des § 67a Abs 4 ASVG bezieht sich daher nicht bloß auf die Zahlung des Auftraggebers an das Dienstleistungszentrum, sondern auch auf eine Verrechnung nach § 67a Abs 6 ASVG. Der Anfechtungsausschluss erstreckt sich auch auf Verrechnungen mit Ansprüchen der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, deren Ansprüche nicht durch die Anfechtungsfestigkeit von Verrechnungen zu „privilegieren“, hätte er dies ausdrücklich normieren müssen.