OGH: Zur Einräumung eines Notwegs über öffentliches Wassergut
Die Einräumung eines Notwegs unter Inanspruchnahme einer Liegenschaft, die zum öffentlichen Wassergut gehört, fällt nicht unter § 4 Abs 8 zweiter F WRG; der Notweg darf daher nicht unter der aufschiebenden Bedingung einer bescheidmäßigen Feststellung nach dieser Bestimmung eingeräumt werden
§ 1 NWG, § 4 WRG
GZ 1 Ob 40/23y, 25.04.2023
OGH: Gem § 4 Abs 8 WRG ist bei zum öffentlichen Wassergut gehörenden Liegenschaften unbeschadet der für die Veräußerung oder Belastung von unbeweglichem Bundesvermögen geltenden Vorschriften bei sonstiger Nichtigkeit des Rechtsakts die Übertragung des Eigentums erst nach bescheidmäßiger Feststellung der dauernden Entbehrlichkeit für die mit der Widmung als öffentliches Wassergut verbundenen Zwecke zulässig (1. F); die Einräumung eines anderen dinglichen Rechts ist erst nach bescheidmäßiger Feststellung, dass hiedurch keine Beeinträchtigung der Widmungszwecke (§ 4 Abs 2 WRG) eintritt, zulässig (2. F). Gem § 4 Abs 9 WRG ist ein solcher Feststellungsbescheid vom Landeshauptmann zu erlassen. Partei ist in diesem Verfahren neben dem Bund derjenige, der einen Rechtstitel für den Erwerb der beanspruchten Liegenschaft besitzt.
Der Wortlaut des § 4 Abs 8 WRG („Übertragung“ des Eigentums; „Einräumung“ eines anderen dinglichen Rechts) legt nahe, dass damit ein rechtsgeschäftlicher Erwerb gemeint ist. Dafür spricht auch der Zweck dieser Bestimmung, die als öffentlich-rechtliche Veräußerungs- und Belastungsbeschränkung Verfügungen über das öffentliche Wassergut im Interesse der Wasserwirtschaft und der Allgemeinheit einschränkt.
Die Festlegung eines Notwegs erfolgt nicht durch rechtsgeschäftliche Begründung eines dinglichen Rechts, vielmehr handelt es sich bei diesem um eine Legalservitut, die durch gerichtlichen Ausspruch rechtliche Wirksamkeit erlangt. Der Notweg beruht demnach auf einer gesetzlichen Eigentumsbeschränkung. Die Verbindlichkeit zu seiner Einräumung wird als eine auf dem betroffenen Gut haftende Grundschuld angesehen, die jederzeit gegen den jeweiligen Eigentümer geltend gemacht werden kann.
Die Einräumung eines Notwegs unter Inanspruchnahme einer Liegenschaft, die zum öffentlichen Wassergut gehört, fällt somit nicht unter § 4 Abs 8 zweiter F WRG. Der Notweg darf daher nicht unter der aufschiebenden Bedingung einer bescheidmäßigen Feststellung nach dieser Bestimmung eingeräumt werden.