06.06.2023 Zivilrecht

OGH: Zur Kausalität bei der Haftung des Rechtsanwalts

Ohne - auf dem Tatsachenvorbringen des Geschädigten fußende - Feststellungen zum „hypothetischen Inzidentprozess“ kann nicht beurteilt werden, ob der RA den behaupteten Schaden verursacht hat


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Haftung, Rechtsanwalt, Kausalität, hypothetischer Inzidentprozess, Unschlüssigkeit, Klage, Kompensandoeinwendung, Erörterung durch das Gericht
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1299 ABGB, §§ 182 f ZPO

 

GZ 8 Ob 23/23z, 21.04.2023

 

OGH: Wenn ein RA eine pflichtwidrige Unterlassung zu verantworten hat, hängt seine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Mandanten von der Kausalität dieses Fehlverhaltens für den Eintritt des behaupteten Schadens ab. Den Geschädigten trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln des RA mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre. Um die behauptete Kausalität überprüfen zu können ist es notwendig, dass der Geschädigte Behauptungen über den hypothetischen weiteren Geschehensverlauf für den Fall aufstellt, dass der RA gehörig gehandelt hätte, zB seiner Pflicht, den Mandanten zutreffend zu belehren, entsprochen hätte. So muss, liegt der Schaden in den Kosten eines verlorenen Prozesses, vom Geschädigten behauptet werden, er hätte den Prozess nicht geführt, hätte der RA ihn gehörig aufgeklärt.

 

Liegt der Schaden in einem Anspruchsverlust durch Verjährung, so muss vom Geschädigten jedenfalls behauptet werden, er hätte bei gehöriger Belehrung durch den RA den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht. Ferner ist das hypothetische Geschehen dieser Geltendmachung konkret zu behaupten, kann doch ohne - auf dem Tatsachenvorbringen des Geschädigten fußende - Feststellungen zum „hypothetischen Inzidentprozess“ nicht beurteilt werden, ob der RA den behaupteten Schaden verursacht hat.

 

Die hier im Honorarorozess Beklagte hat niemals behauptet, sie hätte bei gehöriger Belehrung über eine vermeintliche Schadenersatzpflicht eines vertragserrichtenden Notars diese auch verfolgt. Umso weniger brachte sie vor, welches Geschehen sich ereignet hätte, wäre der Vertragsverfasser mit Ersatzansprüchen konfrontiert worden („hypothetischer Inzidentprozess“). Auf dieses Manko hat der klagende RA im Rahmen seiner Einwendung, die Kompensandoforderung sei unschlüssig, aufmerksam gemacht.

 

Werden für den eingeklagten Anspruch schlüssige rechtserzeugende Tatsachen nicht angegeben und lässt sich auch durch richterliche Anleitung (§§ 182, 182a ZPO) eine solche Angabe nicht erreichen, ist die Klage wegen Unschlüssigkeit abzuweisen. Keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf es, wenn der Prozessgegner bereits entsprechende Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte.