OGH: § 76a StVO – zum Schutzzweck der Norm (Verkehrsunfall 3 m nach Ende der Fußgängerzone)
Kann der Lenker eines Kfz die im unmittelbaren räumlichen Nahebereich zum Ende der Fußgängerzone liegende Unfallstelle nur durch ein unzulässiges Befahren der Fußgängerzone erreichen, so ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem unzulässigen Befahren der Fußgängerzone und dem Unfall zu bejahen
§§ 1295 ff ABGB, § 1311 ABGB, § 76a StVO
GZ 2 Ob 61/23v, 20.04.2023
OGH: Die Widmung eines innerstädtischen Bereichs als Fußgängerzone bedeutet, dass dieser Bereich nach Möglichkeit von jedem Fahrzeugverkehr freigehalten werden und primär der Benützung durch Fußgänger dienen soll. Im Bereich der Fußgängerzone ist - wenn überhaupt - nur mit geringem Fahrzeugverkehr zu rechnen. § 76a StVO normiert also für den Bereich einer Fußgängerzone ein Verbot jeglichen Fahrzeugverkehrs, sofern nicht einer der (eng gehaltenen) Ausnahmefälle des § 76a StVO vorliegt (vgl § 53 Abs 1 Z 9a StVO).
Hier ist nicht mehr strittig, dass der Beklagte gegen § 76a Abs 1 und Abs 6 StVO verstoßen hat, indem er die Fußgängerzone zu Lieferzwecken außerhalb der dafür vorgesehenen Zeiten - und unzulässiger Weise mit 20 km/h - und damit deutlich schneller als mit der zulässigen Schrittgeschwindigkeit - befahren hat. Strittig ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem Verstoß gegen § 76a StVO und der Kollision, die sich unmittelbar nach dem Ende der Fußgängerzone ereignete.
Der sich aus § 76a Abs 1 StVO ergebende, weitgehende Ausschluss jeglichen Fahrzeugverkehrs in der Fußgängerzone soll - einem allgemeinen Fahrverbot gleich - umfassend vor allen Gefahren schützen, die durch das Befahren der Verkehrsfläche mit Fahrzeugen (sofern diese nicht ausnahmsweise zulässig einfahren) verursacht oder erhöht werden können. In diesem Fall ist der in der Revisionsbeantwortung erhobene, zu beschränkten Fahrverboten entwickelte Einwand, dass sich der Unfall mit einem berechtigten Benützer in gleicher Weise ereignet hätte, nicht möglich.
Der Senat hat bereits ausgesprochen, dass es nicht entscheidend auf die Frage ankommt, ob die Kollisionsstelle innerhalb oder knapp außerhalb des von einem allgemeinen Fahrverbot umfassten Abschnitts liegt, sofern nur feststeht, dass der das Fahrverbot Verletzende die Unfallstelle nur unter Missachtung des Fahrverbots erreichen konnte. Dieser Gedanke kann auch auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Der Beklagte konnte die im unmittelbaren räumlichen Nahebereich zum Ende der Fußgängerzone liegende Unfallstelle - die Front seines LKW befand sich (nur) 3 Meter jenseits des Hinweiszeichens nach § 53 Abs 1 Z 9b StVO - nur aufgrund des unzulässigen Befahrens der Fußgängerzone erreichen. Für den auf einem Zugangsweg rollschuhfahrenden 6-jährigen Kläger war der sich nähernde LKW des Beklagten überdies nur eingeschränkt wahrnehmbar. Bei dieser Sachlage ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen dem unzulässigen Befahren der Fußgängerzone und dem Unfall zu bejahen.