VwGH: Bekämpfung der unbefristeten Dauer des Einreiseverbotes
Bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der nicht nur auf das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen und das deshalb prognostizierte Vorliegen der von ihm ausgehenden Gefährdung, sondern auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist
§ 53 FPG, § 9 BFA-VG
GZ Ra 2021/21/0028, 30.03.2023
Der 1983 geborene Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, heiratete im Dezember 2007 in der Türkei eine österreichische Staatsbürgerin, mit der er einen im November 2009 geborenen Sohn hat. Ab März 2008 verfügte der Revisionswerber in Österreich über einen (mehrmals verlängerten) Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“. Die Ehe wurde im Dezember 2013 geschieden. In weiterer Folge war der Revisionswerber im Besitz eines (mehrmals verlängerten) Aufenthaltstitels „Rot-Weiß Rot – Karte plus“, zuletzt mit Gültigkeit bis 12. Oktober 2019. Ein Verlängerungsantrag wurde nicht gestellt.
Mit Urteil des BG Hall vom 8. März 2019 wurde der Revisionswerber wegen Verletzung der Unterhaltspflicht in näher genannten Zeiträumen zwischen Juni 2017 und Oktober 2018 gem § 198 Abs 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Mit Urteil des LG Innsbruck vom 4. Dezember 2019 wurde er wegen teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2 Z 1, 15 StGB und wegen schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren verurteilt. Zugleich erfolgte der Widerruf der mit Urteil des BG Hall vom 8. März 2019 gewährten bedingten Strafnachsicht.
VwGH: Bei der Festsetzung der Dauer eines Einreiseverbotes ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der nicht nur auf das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen und das deshalb prognostizierte Vorliegen der von ihm ausgehenden Gefährdung, sondern auch auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen ist.
Angesichts der dem Revisionswerber zur Last gelegten Straftaten und der daraus vom VwG vertretbar abgeleiteten besonderen Gefährlichkeit des Revisionswerbers kann es zwar nicht zweifelhaft sein, dass gegen ihn die Erlassung eines Einreiseverbotes grundsätzlich zulässig ist. Das VwG hat aber aus den privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers keine ersichtlichen Schlussfolgerungen in Bezug auf die Dauer des über ihn verhängten Einreiseverbotes gezogen. Es ließ insbesondere, erkennbar in Verkennung der Rechtslage, offen, warum ungeachtet der Beziehung zum minderjährigen Sohn des Revisionswerbers, zu dem er auch nach der Scheidung der Ehe mit der Kindesmutter weiterhin in Kontakt stand, ein grundsätzlich auf Lebenszeit angelegtes Fernbleiben vom Bundesgebiet - selbst etwa nach einem allfälligen langjährigen Wohlverhalten und einer daraus zu erschließenden Abnahme des von ihm ausgehenden Gefährdungspotentials - gerechtfertigt ist.