21.03.2023 Zivilrecht

OGH: Zur freien Werknutzung im Interesse der Rechtspflege und Verwaltung

Könnte die Einwilligung des Urhebers gegen Zahlung eines (angemessenen) Entgelts erreicht werden, so ist eine Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung von vornherein ausgeschlossen


Schlagworte: Urheberrecht, Werk, Lichtbild, Foto, Verwendung, Benutzung, Freie Werknutzung, Interesse, Verwaltung, parlamentarische Verfahren, Einwilligung, Zahlung, Entgelt, Meinungsfreiheit
Gesetze:

 

§ 41 UrhG, Art 13 StGG, Art 10 EMRK

 

GZ 4 Ob 135/22i, 31.01.2023

 

OGH: Gem § 41 UrhG steht das Urheberrecht der Benutzung eines Werks zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit oder zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs von Verwaltungsverfahren, parlamentarischen Verfahren oder Gerichtsverfahren nicht entgegen. § 41 UrhG ist nach seinem Zweck (teleologisch) auszulegen.

 

Die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Ablaufs der in der Bestimmung genannten Verfahren ist eine zu beachtende Zweckbindung, die allerdings weit interpretierbar ist und einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnet. Vorliegend ist fraglich, ob die gegenständliche Presseveröffentlichung unter die „Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs“ oder gar unter die „öffentliche Sicherheit“ zu subsumieren ist. Beides haben die Vorinstanzen zutreffend verneint:

 

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse zählen zu den „parlamentarischen Verfahren“ iSd § 41 UrhG, zumal der Nationalrat gem Art 52 Abs 1 B-VG (neben dem Bundesrat) befugt ist, „die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen“, wozu er gem Art 53 Abs 1 B-VG die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen beschließen kann. Zweck eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist die Ausübung der Kontrollrechte der Volksvertretung. Die hier zu beurteilende Veröffentlichung zweier Lichtbilder des Fotografen im Rahmen des „Presspoints vor dem Untersuchungsausschuss“ diente aber parteipolitischen Zwecken und ist nicht durch die freie Werknutzung nach § 41 UrhG gedeckt.

 

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die Abwägung des gegenständlichen Urheberrechtsanspruchs gegen das Grundrecht auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit gem Art 13 StGG und Art 10 EMRK zugunsten des Klägers getroffen, hat doch der Senat schon mehrfach klargestellt, dass die Verletzung der Urheberrechte der einzige Weg sein muss, um das Grundrecht ausüben zu können. Könnte die Einwilligung des Urhebers gegen Zahlung eines (angemessenen) Entgelts erreicht werden, so ist eine Berufung auf das Grundrecht der freien Meinungsäußerung von vornherein ausgeschlossen. Ist nämlich der Urheber bereit, die Nutzung seines Werks gegen Entgelt zu gestatten, so kann das Grundrecht der freien Meinungsäußerung einen Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte von vornherein nicht rechtfertigen, weil eine Einschränkung des Grundrechts durch das Urheberrecht als gesetzlich geschütztes Recht iSd Art 10 Abs 2 EMRK insoweit jedenfalls gerechtfertigt ist.