21.03.2023 Zivilrecht

OGH: Zu Rechtsmissbrauch beim Rücktritt vom Maklervertrag (FAGG)

Selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch geben zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Fernabsatz, Maklervertrag, Abschluss außerhalb der Geschäftsräume, Rücktrittsrecht, Belehrung, Frist, Verlängerung, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

 

§ 1 FAGG, § 4 FAGG, §§ 11 f FAGG, § 18 FAGG, § 1295 ABGB

 

GZ 9 Ob 102/22y, 16.02.2023

 

OGH: § 11 FAGG räumt dem Verbraucher das Recht ein, ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Die Frist dafür beträgt nach § 11 Abs 1 FAGG 14 Tage und beginnt bei Dienstleistungsverträgen - ein solcher liegt hier vor - mit dem Tag des Vertragsabschlusses zu laufen (§ 11 Abs 2 Z 1 FAGG). Wenn der Unternehmer allerdings seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen ist, verlängert sich die Rücktrittsfrist um 12 Monate.

 

Nach der Rsp ist Rechtsmissbrauch nicht nur dann anzunehmen, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt. Die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft, wobei selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag geben, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, dass er innerhalb der Schranken dieses Rechts handelt.

 

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen lässt hier der festgestellte Sachverhalt weder die Beurteilung zu, dass die Beklagten ihre Rücktrittserklärung aus Schädigungsabsicht oder aus überwiegenden unlauteren Motiven abgegeben haben, noch dass sie damit widerrechtliche Vorteile zum Nachteil der Klägerin zu erlangen suchten, die mit dem Zweck ihres ausgeübten Rücktrittsrechts offensichtlich unvereinbar sind. Zwar haben die Beklagten ihr Interesse an der Wohnung nie verloren und sie letztlich ohne Beteiligung der Klägerin besichtigt und gekauft. Daraus allein kann aber noch nicht der unzweifelhafte Schluss gezogen werden, dass sie von vornherein das Ziel verfolgten, die Wohnung zu erwerben, ohne die Maklerprovision bezahlen zu müssen. Schließlich konnte die Klägerin nicht sämtliche gewünschten Informationen erteilen und auch nicht alle verlangten Unterlagen vollständig vorlegen, sodass die Beklagten die Zusammenarbeit mit der Klägerin beendeten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin zu dieser Zeit auf andere Kaufinteressenten konzentrierte, die Kommunikation mit den Beklagten nur schleppend war, es zu Verzögerungen kam und die Beklagten unter Zeitdruck standen, eine Wohnung zu finden. Dass die Beklagten mit ihrem Vertragsrücktritt aus Schädigungsabsicht bezweckten, einen Provisionsanspruch der Klägerin abzuwenden, kann daher nicht gesagt werden. Sie wünschten vielmehr eine rasche Abwicklung des Wohnungskaufs.