07.03.2023 Zivilrecht

OGH: Zur Auslegung individuell vereinbarter Versicherungsbedingungen

Wurde ein Risikoausschluss von der vom VN beauftragten Versicherungsmaklerin formuliert und vom VN selbst in das vertragliche Geschehen eingeführt, so kann sich der VN nicht auf seine Unwirksamkeit berufen


Schlagworte: Versicherungsvertragsrecht, Haftpflichtversicherung, Vertrauensschadenversicherung, Risikoausschluss, Vorsatz, Auslegung, Treu und Glauben, individuelle Vereinbarung
Gesetze:

 

§§ 914 ff ABGB, §§ 149 ff VersVG

 

GZ 7 Ob 136/22h, 25.01.2023

 

OGH: Zweck der gegenständlichen „Vertrauensschadenversicherung“ sollte sein, die gesetzliche Pflichthaftpflichtversicherung der Mitglieder des Klägers (Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder) im Falle vorsätzlicher Schädigung zu ergänzen. Nicht ersetzt werden sollten Schäden, die durch Personen verursacht werden, von denen ein versichertes Unternehmen bei Versicherungsbeginn bzw bei Einschluss in die Versicherung wusste, dass sie bereits einmal vorsätzliche einen Vermögensschaden zugefügt haben. Vor dem Hintergrund, dass das Vertragswerk von der Maklerin des VN ausgearbeitet wurde und es der Beklagten nach den Feststellungen möglich war, den Vertragsinhalt zu gestalten, weil der Kläger zu einer Abänderung des Textes bereit war, ist der vorliegende Versicherungsvertrag als individuelle Vereinbarung anzusehen.

 

Für die Auslegung einer zwischen den Parteien schriftlich getroffenen Vereinbarung ist der Wortlaut maßgeblich, solange nicht behauptet und bewiesen ist, dass aufgrund außerhalb der Urkunde liegender Umstände sich ein übereinstimmender Parteiwille oder ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichender objektiver Sinn der Erklärung ergibt. Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, die sie in das vertragliche Geschehen des zukünftigen Vertragspartners einführte und daher auch die Möglichkeit hatte, deutliche Formulierungen zu wählen (§ 915 zweiter F ABGB). Da die hier relevanten Vertragsbestimmungen von der vom Kläger beauftragten Versicherungsmaklerin in das vertragliche Geschehen eingeführt wurden, gehen Unklarheiten zu dessen Lasten. Dass die Maklerin im Zuge der Ausarbeitung des Vertragswerks als Grundlage ein gängiges Bedingungswerk herangezogen hat, hat keine Relevanz, ist dies doch bei der Erstellung von Verträgen regelmäßig der Fall.

 

Die Frage der Zulässigkeit des vereinbarten Risikoausschlusses bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, weil es dem Kläger als Fachverband der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKÖ schon nach Treu und Glauben sowie dem Grundsatz des venire contra factum proprium verwehrt ist, sich auf dessen Unwirksamkeit zu berufen, wurde diese Vertragsbestimmung doch von der von ihm beauftragten Versicherungsmaklerin formuliert und vom Kläger selbst in das vertragliche Geschehen eingeführt.