OGH: Zu „echten Ruhepausen“ in der SchwerarbeitsV
Bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV sind echte Ruhepausen zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeiten gelten noch in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen
§ 1 SchwerarbeitsV, Art VII NSchG, § 2 AZG, § 11 AZG, § 6 BäckAG
GZ 10 ObS 81/22t, 13.12.2022
OGH: Nach § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV gelten als Tätigkeiten, die unter körperlich oder psychisch besonders belastenden Bedingungen erbracht werden, alle Tätigkeiten, die geleistet werden „in Schicht- oder Wechseldienst auch während der Nacht (unregelmäßige Nachtarbeit), dh zwischen 22.00 und 06.00 Uhr, jeweils im Ausmaß von mindestens 6 Stunden und zumindest an 6 Arbeitstagen im Kalendermonat, sofern nicht in diese Arbeitszeit überwiegend Arbeitsbereitschaft fällt“.
Anders als in Art VII Abs 1 NSchG gilt nach der SchwerarbeitsV reine Nachtarbeit nicht als Belastungsmoment. Wesensmerkmal des Tatbestands der SchwerarbeitsV ist der notwendige Wechsel zwischen Tag- und Nachtdienst. Dieser Wechsel ist im vorliegenden Fall unstrittig gegeben. § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV stellt nicht auf die nach § 4 SchwerarbeitsV erforderliche Anzahl von Schwerarbeitstagen ab, sondern auf das Vorliegen von lediglich 6 Arbeitstagen im Kalendermonat, an denen - in einzelnen Schicht- oder Nachtdiensten - unregelmäßige Nachtarbeit geleistet wurde. Bei der Nachtarbeit iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV ist nicht die Tätigkeit entscheidend. Vielmehr kommt es auf das Kriterium „Nacht“ an. So fallen auch „leichtere“ berufliche Tätigkeiten unter diesen Tatbestand.
Gem § 2 Abs 1 Z 1 AZG ist Arbeitszeit iSd AZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. § 11 Abs 1 AZG normiert, dass die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt. Eine Ruhepause ist Freizeit des AN und daher idR nicht in die Arbeitszeit einzurechnen. Damit eine Zeit als Ruhepause iSd § 11 Abs 1 AZG anerkannt werden kann, muss sie erstens ihrer Lage nach für den AN vorhersehbar sein, sich also an einer im Vorhinein definierten zeitlichen Position im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung befinden, oder vom AN innerhalb eines vorgesehenen Zeitraums frei gewählt werden können. Sie muss zweitens echte Freizeit sein, der AN muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können.
Echte Ruhepausen sind zumindest in dem Umfang, in dem sie weder gesetzlich als Arbeitszeiten gelten noch in die Arbeitszeit einzurechnen sind, nicht als Zeiten einer Tätigkeit zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass die hier vom Kläger als Bäcker geleisteten, um 0:00 Uhr beginnenden Nachtschichten, in denen er bis 6:00 Uhr eine Ruhepause von einer halben Stunde konsumierte, keine Schwerarbeitstage iSd § 1 Abs 1 Z 1 SchwerarbeitsV begründen.