07.02.2023 Verfahrensrecht

OGH: Zur internationalen Zuständigkeit nach dem HESÜ

Ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts führt zu einer sofortigen Änderung der internationalen Zuständigkeit; dies gilt auch dann, wenn das Verfahren im früheren Aufenthaltsstaat bereits anhängig war


Schlagworte: Erwachsenenschutzrecht, internationale Zuständigkeit, Umzug, Übersiedlung, Umzug, gewöhnlicher Aufenthalt, Wechsel, Begründung, Integration, Dauer, Maßnahme
Gesetze:

 

Art 1 HESÜ, Art 5 HESÜ

 

GZ 7 Ob 171/22f, 23.11.2022

 

OGH: Das HESÜ (Haager Erwachenenschutzübereinkommen) ist dem KSÜ nachgebildet und teilweise wortgleich. Daher kann die zum KSÜ ergangene Rsp herangezogen werden. Nach Art 5 Abs 1 HESÜ sind die Behörden, seien es Gerichte oder Verwaltungsbehörden, des Vertragsstaats, in dem der Erwachsene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig, Maßnahmen zum Schutz der Person oder des Vermögens des Erwachsenen zu treffen. Gem Art 5 Abs 2 HESÜ sind bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Erwachsenen in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staats des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig.

 

Für die Errichtung des gewöhnlichen Aufenthalts müssen zur körperlichen Anwesenheit des Erwachsenen in einem Vertragsstaat weitere Kriterien hinzutreten, aus denen sich entnehmen lässt, dass es sich nicht nur um einen vorübergehenden oder gelegentlichen Aufenthalt handelt, der Aufenthalt vielmehr Ausdruck einer Integration des Erwachsenen in ein soziales und familiäres Umfeld ist. Die Integration ist anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls im Wege einer Gesamtbetrachtung festzustellen. Dabei sind insbesondere die Dauer und die Gründe für den Aufenthalt sowie die familiären und sozialen Bindungen des Erwachsenen in dem betreffenden Staat zu berücksichtigen. Maßgeblich ist der tatsächliche Mittelpunkt der Lebensführung des Erwachsenen.

 

Auch im Fall eines Umzugs von einem Vertragsstaat in einen anderen erwirbt der Erwachsene grundsätzlich dann einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt, wenn er am neuen Aufenthaltsort sozial integriert ist. Von einer solchen sozialen Integration ist idR nach einer sechsmonatigen Aufenthaltsdauer auszugehen. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Faustregel, von der im Einzelfall auch abgewichen werden kann. Ist der Umzug in einen anderen Vertragsstaat hingegen auf Dauer geplant, so wird der neue gewöhnliche Aufenthalt dort sofort erworben. Dem Willen zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem bestimmten Staat ist bei Erwachsenen größeres Gewicht beizumessen als bei Kindern. Dabei kommt es auf den natürlichen, nicht einen rechtsgeschäftlichen Willen an, sodass auch alters- oder krankheitsbedingt in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Erwachsene einen solchen Willen haben können. Ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts führt zu einer sofortigen Änderung der internationalen Zuständigkeit. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren im früheren Aufenthaltsstaat bereits anhängig war. Die Behörde hat sich dann von Amts wegen für unzuständig zu erklären.