VwGH: Zur Begründungspflicht des VwG
Das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen führt jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des VwG
§ 29 VwGVG, § 58 AVG, § 60 AVG, § 38 VwGVG, § 24 VStG
GZ Ra 2022/05/0112, 07.12.2022
VwGH: Gem § 29 Abs 1 VwGVG sind die Erkenntnisse des VwG zu begründen. Diese Begründung hat, wie der VwGH wiederholt ausgesprochen hat, jenen Anforderungen zu entsprechen, die in seiner Rsp zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Auch in Verwaltungsstrafsachen ist gem § 38 VwGVG iVm § 24 VStG die Begründungspflicht iSd § 58 AVG von Bedeutung.
Demnach sind in der Begründung eines Erkenntnisses die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Nach der Rsp des VwGH erfordert dies im ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche das VwG im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch der Entscheidung geführt haben. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte zudem (nur) dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben.
Der VwGH hat weiters bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Darstellung des Verwaltungsgeschehens die fehlende Begründung der Entscheidung eines VwG nicht zu ersetzen vermag. Das Unterlassen jeglicher argumentativer Auseinandersetzung mit einem Beschwerdevorbringen führt jedenfalls zu einem Begründungsmangel einer Entscheidung des VwG.
Ein Begründungsmangel führt nach der hg Rsp dann zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und in weiterer Folge zur Aufhebung durch den VwGH, wenn er entweder die Parteien des Verwaltungsverfahrens und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an der Verfolgung ihrer Rechte oder den VwGH an der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf deren inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert. Wird das VwG den Anforderungen an die Begründung von Erkenntnissen der Verwaltungsgerichte nicht gerecht, so liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt.
Das angefochtene Erkenntnis genügt den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nicht. Es erschöpft sich in der Darstellung des Verfahrensganges allein durch die wörtliche Wiedergabe des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses und der Beschwerde, gefolgt von der - aufgrund des Fehlens jeglicher Feststellungen und jeglicher Beweiswürdigung nicht überprüfbaren - rechtlichen Beurteilung. Dies ist nach der soeben dargestellten Jud des VwGH für eine ordnungsgemäße Begründung eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses nicht ausreichend.
Vor diesem Hintergrund rügt die Revision mit Recht, dass das angefochtene Erkenntnis, obwohl es in der rechtlichen Beurteilung von einer Gehsteigherstellung durch die Amtsrevisionswerberin vor dem Ende des zugrunde gelegten Tatzeitraums ausging, nicht einmal klare Feststellungen samt Beweiswürdigung zur - strittigen - Frage, wann tatsächlich ein bauordnungsgemäßer Gehsteig hergestellt wurde, trifft.