OGH: Zuständigkeit bei Verbrauchersachen – „Ausrichten“ iSd Art 17 Abs 1 lit c 2. Alternative EuGVVO
Die Beklagte verwendet für ihre Homepage neben der Top-Level-Domain .cz auch die Top-Level-Domain .eu, wobei bei Aufruf Letzterer ein Weiterleiten auf Erstere erfolgt; die Homepage ist grundsätzlich in tschechischer Sprache gehalten, wobei ein einziger, den Tätigkeitsbereich der Beklagten allgemein umschreibender Abschnitt (auch) in Englisch und Deutsch verfügbar ist; die Telefonnummer der Beklagten wird auf der Homepage mit internationaler Vorwahl angeführt; wenn das Rekursgericht diese Sachverhaltselemente als nicht ausreichend für ein „Ausrichten“ auf den Wohnsitzstaat des Klägers – also Österreich – ansah, stellt dies unter Beachtung der Herkunft des für den Erfolg ihres Geschäftsmodells zentralen Geschäftsführers der Beklagten (Bayern), die auch der Grund für den kurzen deutschen Text auf der Homepage war, und des Umstands, dass 80 % der Kunden der Beklagten aus Tschechien sowie 20 % aus Deutschland stammen, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar
Art 17 EuGVVO
GZ 2 Ob 189/22s, 22.11.2022
OGH: Der Begriff des „Ausrichtens“ iSd Art 17 Abs 1 lit c 2. Alternative EuGVVO erfasst alle auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichteten absatzfördernden Handlungen; für die zu fordernde Zielgerichtetheit der Tätigkeit des Unternehmens reicht ein bloßes „doing business“ aber nicht aus. Der Gewerbetreibende muss vor dem möglichen Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen.
Nach der Rsp des EuGH bilden bei Beurteilung des Internetauftritts eines Gewerbetreibenden beispielsweise der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung einer anderen Top-Level-Domain als derjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft Anhaltspunkte für ein „Ausrichten“ der Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Hingegen ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers im Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers nicht ausreichend. Die Aufnahme von Fernkontakt und der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz können ebenso Anhaltspunkte für ein Ausrichten auf den Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers sein wie der Sitz des Gewerbetreibenden in einem grenznahen Ballungsraum oder die Verwendung einer vom Mitgliedstaat des Verbrauchers zugeteilten Telefonnummer durch den Gewerbetreibenden.
Die Beklagte verwendet für ihre Homepage neben der Top-Level-Domain .cz auch die Top-Level-Domain .eu, wobei bei Aufruf Letzterer ein Weiterleiten auf Erstere erfolgt. Die Homepage ist grundsätzlich in tschechischer Sprache gehalten, wobei ein einziger, den Tätigkeitsbereich der Beklagten allgemein umschreibender Abschnitt (auch) in Englisch und Deutsch verfügbar ist. Die Telefonnummer der Beklagten wird auf der Homepage mit internationaler Vorwahl angeführt. Wenn das Rekursgericht diese Sachverhaltselemente als nicht ausreichend für ein „Ausrichten“ auf den Wohnsitzstaat des Klägers – also Österreich – ansah, stellt dies unter Beachtung der Herkunft des für den Erfolg ihres Geschäftsmodells zentralen Geschäftsführers der Beklagten (Bayern), die auch der Grund für den kurzen deutschen Text auf der Homepage war, und des Umstands, dass 80 % der Kunden der Beklagten aus Tschechien sowie 20 % aus Deutschland stammen, keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
Dem für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Verbrauchergerichtsstands beweispflichtigen Kläger ist der Nachweis misslungen, dass der Beklagten die ohne Zahlung eines Entgelts und ohne deren Wissen oder Willen erfolgten Einschaltungen in (österreichischen) Medien zurechenbar wären.
Da die Vorinstanzen das Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf Österreich vertretbar verneint haben, bedarf es keiner näheren Prüfung der Hilfsbegründung.