OGH: Zur Erhaltungspflicht des Vermieters
Die Erlassung eines Abbruchbescheids führt für sich allein nicht zur Auflösung des Bestandverhältnisses; die Frage ob die Baugebrechen aus technischen Gründen nicht behoben werden können, haben die Gerichte selbstständig zu beurteilen
§ 3 MRG, § 6 MRG, § 29 MRG, § 1112 ABGB
GZ 5 Ob 55/22g, 08.11.2022
OGH: Die Erhaltungspflicht des Vermieters findet auch im Anwendungsbereich des MRG grundsätzlich an der Unwirtschaftlichkeit der Erhaltung des Gebäudes ihre Grenze (§ 6 MRG). Nur bei privilegierten Erhaltungsarbeiten iSd § 3 Abs 3 Z 2 lit a bis c MRG ist der Einwand der Unwirtschaftlichkeit unbeachtlich: Arbeiten, die kraft eines öffentlich-rechtlichen Auftrags vorzunehmen sind (lit a), die der Behebung von Baugebrechen, die die Sicherheit von Personen oder Sachen gefährden, dienen (lit b) oder die zur Aufrechterhaltung des Betriebs von bestehenden Wasserleitungs-, Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Beheizungs- (einschließlich der zentralen Wärmeversorgungsanlagen), Kanalisations- und sanitären Anlagen erforderlich sind (lit c), sind daher jedenfalls durchzuführen. Nach der Rsp gilt das aber nicht, wenn eine „erhaltende“ Sanierung ausgeschlossen ist und praktisch einem Neubau gleichkommende Maßnahmen erforderlich sind. Dies führt vielmehr zum „rechtlichen Untergang“ des Mietobjekts iSd § 29 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 1112 ABGB, sodass der Mieter sich infolge Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr erfolgreich auf § 3 Abs 3 Z 2 MRG berufen kann.
Dieser Fall des „rechtlichen Untergangs“ des Mietobjekts setzt nicht voraus, dass ein Abbruchbescheid besteht. Die Erlassung eines Abbruchbescheids für sich allein führt auch nicht zur Auflösung des Bestandverhältnisses (und reicht daher nicht aus, die Pflicht des Vermieters zur Vornahme von Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 3 Z 2 lit a bis c MRG entfallen zu lassen). Die Vertragsbeendigung nach § 29 Abs 1 Z 2 MRG iVm § 1112 ABGB ist vielmehr erst die Folge davon, dass die Baugebrechen, die zur Bescheiderlassung geführt haben, aus technischen Gründen nicht behoben werden können oder der Bestandgeber diese nicht behebt und dazu auch nicht verpflichtet ist. Diese Frage haben die Gerichte selbstständig zu beurteilen.