13.12.2022 Zivilrecht

OGH: Zur „Widmung“ von Wohnungseigentumsobjekten

Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Wohnungseigentumsobjekt, Widmung, Geschäftsraum, Lager, Wohnungseigentumsvertrag, Nutzwertgutachten, Art des Geschäftsbetriebs
Gesetze:

 

§§ 2 f WEG, § 16 WEG, § 914 ABGB

 

GZ 5 Ob 134/22z, 02.11.2022

 

OGH: Nach stRsp ist für die Frage der Widmung auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (idR im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen. Die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten kann bei der Ermittlung der vertraglichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer heranzuziehen sein. Der OGH hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, dass die dem Wohnungseigentumsvertrag zugrunde liegende Parifizierung bei der Auslegung berücksichtigt werden kann, weil die Widmung die Nutzwertfestsetzung und damit auch die Beitragspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer nachhaltig beeinflusst. Wenn der Wohnungseigentumsvertrag ausdrücklich auf das Nutzwertgutachten verweist, wird dessen Inhalt ohnedies zum Bestandteil der vertraglichen Einigung.

 

Nach der Rsp kann die Änderung eines in einem Geschäftslokal betriebenen Unternehmensgegenstands und seiner Betriebsform eine Widmungsänderung sein. Ob eine solche vorliegt, ist anhand der Gegenüberstellung der (vertraglichen) Widmung des betreffenden Objekts und der beabsichtigten oder bereits tatsächlichen Verwendung zu prüfen. Die Verkehrsüblichkeit kann als Auslegungskriterium für die Ermittlung des Inhalts einer privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer über die Widmung eines Objekts zwar grundsätzlich auch bei der Beurteilung, ob eine vorgenommene oder beabsichtigte Änderung der Nutzung eines Objekts eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung bewirkt, eine Rolle spielen. Bei einer unspezifischen Geschäftsraumwidmung tritt dieses Kriterium allerdings in den Hintergrund. Besteht keine spezifische Geschäftsraumwidmung, war also kein bestimmter Geschäftsbetrieb im Wohnungseigentumsobjekt Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags, dann haben sich die Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums grundsätzlich mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals einverstanden erklärt. In einem solchen Fall liegt nach der Rsp eine unzulässige Widmungsänderung nicht schon dann vor, wenn durch eine Änderung der Geschäftstätigkeit schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer verletzt werden könnten. Dass die Änderung der Widmung von Lagerräumlichkeiten zu Zwecken der Gastronomie und Veranstaltungen eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Wohnungseigentümer indiziert und damit ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer oder eine diese ersetzende Zustimmung des Außerstreitrichters einen Eingriff in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer bewirkt, zweifelt der Beklagte in seinem Rechtsmittel zu Recht nicht an.