OGH: Zum Unterhaltungswert bei verbotenen Glücksspielen
Läge mit dem Unterhaltungswert eine gesondert zu beurteilende Leistung der Beklagten vor, wäre diese zur Bewirkung des verbotenen Glücksspiels erbracht worden und damit gem § 1174 Abs 1 S 1 ABGB nicht rückforderbar
§§ 2 ff GspG, § 877 ABGB, § 879 ABGB, § 1174 ABGB
GZ 6 Ob 50/22d, 18.11.2022
OGH: Ein Vertrag, mit dem die Beklagte konzessionslos dem Kläger die Teilnahme an Online-Glücksspielen auf ihrer Website ermöglichte, ist nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Ein gemischter Vertrag aus Glücks- und Dienstleistungsvertrag liegt nicht vor: Die Beklagte hat den Kläger für eine Teilnahme am Glücksspiel gewonnen, für das er einen Einsatz zu leisten hatte. Eine Zusammensetzung des Vertragsverhältnisses aus Elementen eines Glücksspielvertrags und einer Dienstleistungskomponente, etwa über eine durch die Spieleinsätze abgegoltene „Unterhaltung“ des Klägers durch die von der Beklagten produzierte (Glücksspiel-)Software, ist nicht erkennbar. Eine solche widerspräche auch der gebotenen Gesamtbetrachtung. Die Nichtigkeit erfasst daher das gesamte Vertragsverhältnis. Dies gebietet auch der Zweck der Verbotsnorm.
Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots- und Sittenwidrigkeit richten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB. Die Rückforderbarkeit wird daher idR nicht durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Revision kommt nach neuerer Auffassung hier dem Verbotszweck maßgebliche Bedeutung zu: Erfordert der Verbotszweck eine Rückabwicklung, etwa weil das Verbot den Schutz einer Partei bezweckt oder sich gegen den Leistungstausch an sich wendet, sind ausgetauschte Leistungen stets, also in Abweichung zu §§ 1431 ff ABGB auch bei Kenntnis von der ungültigen Verpflichtung, zurückzustellen. Will das Verbotsgesetz dagegen nur die Entstehung einer durchsetzbaren Verpflichtung verhindern, begründet die Nichtigkeit für sich allein noch keinen Rückforderungsanspruch. Im Hinblick auf die Zielsetzung des GspG kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber hier gerade den Schutz der Spieler und nicht bloß die Verhinderung des Entstehens klagbarer Verbindlichkeiten bezweckt. Dieser Rückforderungsanspruch bestünde auch dann, wenn dem Spielteilnehmer die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt gewesen wäre. Der Kläger kann daher die Spieleinsätze aus dem verbotenen Glücksspiel bereicherungsrechtlich zurückfordern.
Es wurde bereits dargelegt, dass ein gemischter Vertrag nicht vorliegt. Ein gesonderter Vorteil des Klägers durch einen „Unterhaltungswert“ des verbotenen Online-Glücksspiels, iSe erhaltenen und durch die Spieleinsätze abgegoltenen (vermögenswerten) Dienstleistung, ist im vorliegenden Fall nicht zu erblicken. Läge eine derartige, gesondert zu beurteilende Leistung der Beklagten vor, wäre diese überdies zur Bewirkung des verbotenen Glücksspiels erbracht worden und damit gem § 1174 Abs 1 S 1 ABGB nicht rückforderbar.