OGH: Zur fremdhändigen letztwilligen Verfügung
Die durch das ErbRÄG 2015 neu eingeführte eigenhändige Nuncupatio ist ein selbstständiges Solennitätserfordernis, das zwingend neben die eigenhändige Unterfertigung der fremdhändigen letztwilligen Verfügung tritt
§ 579 ABGB
GZ 2 Ob 167/22f, 25.10.2022
OGH: § 579 Abs 1 ABGB verlangt neben der in Gegenwart von 3 gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig zu setzenden Unterschrift des Erblassers nun überdies einen eigenhändig geschriebenen Zusatz, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthalte. Nach den Mat sollte das Erfordernis der Nuncupatio, also der Bekräftigung des letztwillig Verfügenden vor den Zeugen, dass die Verfügung seinem letzten Willen entspricht, geändert werden. Auch wenn die Zeugen gewöhnlich wüssten, dass der Verfügende seinen letzten Willen errichten wolle und dass dieser in der Urkunde, die sie unterschreiben sollen, niedergeschrieben sei, solle die Bekräftigung beibehalten werden. Der Verfügende müsse eigenhändig den Zusatz schreiben, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthalte. Dabei könne er sich verschiedener Ausdrücke bedienen, wie etwa „Die Urkunde enthält meinen letzten Willen“, „Mein Wille“, „Das will ich“ oder „So soll es sein“. Entscheidend sei, dass aus dem Zusatz hervorgehe, dass es sich um seinen letzten Willen handle. Ein Zusatz wie ein bloßes „OK“ sei dagegen unzureichend. Mit diesem zusätzlichen Formerfordernis solle die Fälschungssicherheit erhöht werden. Zudem könne allein die eigenhändige Unterschrift des Verstorbenen nicht dieselbe Gewähr dafür bieten, dass dieser gewusst habe, dass er seinen letzten Willen errichte. Die schriftliche Bekräftigung werde auch weniger Beweisschwierigkeiten und mehr Rechtssicherheit zur Folge haben, als es bei der mündlichen Bestärkung der Fall sei. Wie nach bisherigem Recht müssten die Zeugen den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht kennen, sondern nur wissen, dass der Verfügende seinen letzten Willen errichte.
Der OGH hat bereits klargestellt, dass die durch das ErbRÄG 2015 neu eingeführte eigenhändige Nuncupatio ein selbstständiges Solennitätserfordernis ist, das zwingend neben die eigenhändige Unterfertigung der fremdhändigen letztwilligen Verfügung tritt, und damit insbesondere eine größere Sicherheit gegen Fälschungen durch graphologische Zuordnung zum Testator herbeigeführt werden sollte. Durch das ErbRÄG 2015 wurde die Willensbekräftigung des Erblassers „verschriftlicht“ und daher lediglich die bisherige Form der „Ausdrücklichkeit“ abgeschafft, um die Fälschungssicherheit zu erhöhen.
Der Umstand, dass - wie hier - eine graphologische Zuordnung zur Erblasserin möglich ist, reicht ebenso wenig zur Erfüllung der Formvorschrift des § 579 Abs 1 ABGB aus wie das Vorliegen einer bloß mündlichen bzw ausdrücklichen, aber nicht schriftlichen Bekräftigung. Hier führt aber schon die Auslegung des Bekräftigungszusatzes anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs und der Verkehrsauffassung zu einer eindeutigen schriftlichen Bekräftigung des letzten Willens; vernünftige gegenteilige Deutungsmöglichkeiten werden nicht aufgezeigt.