OGH: Zur schadenersatzrechtlichen Einordnung von Flugrettungskosten
Mangels Vorliegens einer vom Sozialversicherungsträger gewährten Sachleistung geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten nur im Umfang der zu gewährenden Kostenerstattung auf den Sozialversicherungsträger über
§§ 1295 ff ABGB, § 1325 ABGB, § 135 ASVG, § 332 ASVG, § 338 ASVG
GZ 2 Ob 145/22w, 27.09.2022
OGH: Krankentransportkosten sind Teil der vom Sozialversicherungsträger zu gewährenden ärztlichen Hilfe, sie sind eine Annexleistung der Krankenbehandlung. Die Sicherstellung der Ansprüche auf Leistung aus der Krankenversicherung erfolgt im Rahmen der Sachleistungsvorsorge entweder durch eigene Einrichtungen des Sozialversicherungsträgers oder durch den Abschluss von Verträgen gem § 338 ASVG. Auch die Flugrettung kommt als „anderer Vertragspartner“ iSd § 338 Abs 1 ASVG in Betracht. Stellt der Sozialversicherungsträger einen Transport nicht als Sachleistung über eigene Einrichtungen oder über Vertragspartner gegen direkte Verrechnung der Kosten mit dem Vertragspartner zur Verfügung, muss sich der Versicherte diese Leistung zunächst selbst verschaffen und hat grundsätzlich deren Kosten selbst zu tragen, um nachher die satzungsgemäßen Geldleistungen mittels Leistungsklage auf Gewährung von Kostenersatz liquidieren zu können. Ob die durchgeführte Flugrettung eine vom Sozialversicherungsträger gewährte Sachleistung darstellt oder ein Fall bloßer Kostenerstattung vorliegt, hat Konsequenzen für den Umfang der Legalzession nach § 332 Abs 1 ASVG:
Gem § 332 Abs 1 ASVG geht der Anspruch des Verletzten gegen den Schädiger nach dem Grundsatz der kongruenten Deckung insoweit auf den Sozialversicherungsträger über, als dieser an den Verletzten Leistungen zu erbringen hat. Die Legalzession zu Gunsten des Sozialversicherungsträgers verfolgt einerseits den Zweck, eine doppelte Befriedigung des Geschädigten (durch Kumulation der Leistungen), andererseits aber auch eine Entlastung des Schädigers (durch Anrechnung der Versicherungsleistung als Vorteil) zu verhindern. Der Umfang des Forderungsübergangs und damit der Regressanspruch des Sozialversicherungsträgers ist in zwei Dimensionen begrenzt, nämlich einerseits mit der Höhe des Schadenersatzanspruchs des Geschädigten und andererseits mit dem Anspruch des Geschädigten auf Leistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Der Schadenersatzanspruch des Geschädigten bildet den Deckungsfonds, der selbständig nach den Grundsätzen des Haftpflichtrechts zu berechnen ist.
Mangels Vorliegens einer vom Sozialversicherungsträger durch einen hiezu verpflichteten Dritten gewährten Sachleistung geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten nur im Umfang der zu gewährenden Kostenerstattung auf den Sozialversicherungsträger über. Der „Restanspruch“ verbleibt - anders als bei Zurverfügungstellung der Sachleistung Flugtransport durch den Sozialversicherungsträger bzw eines von diesem mit einer Vereinbarung nach § 338 ASVG verpflichteten Dritten - beim Geschädigten.