OGH: Zur Rekurslegitimation im Verlassenschaftsverfahren
Die Rekurslegitimation des potentiellen Erben ist bei einer fehlenden Erbantrittserklärung dann zu bejahen, wenn für ihn noch keine Veranlassung bestand, eine solche abzugeben
§ 157 AußStrG, § 159 AußStrG, § 799 ABGB
GZ 2 Ob 133/22f, 06.09.2022
OGH: Nach stRsp wird der potentielle Erbe grundsätzlich erst mit Abgabe seiner Erbantrittserklärung Partei des Verlassenschaftsverfahrens. Vorher hat er keinen Einfluss auf den Gang des Verlassenschaftsverfahrens und keine Rekurslegitimation, auch nicht betreffend die Auswahl der Person des Verlassenschaftskurators. Das Rekursgericht ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die Tochter bereits von sich aus eine Erbantrittserklärung abgegeben hat; es vermisste aber die Angabe eines Rechtstitels.
Eine Erbantrittserklärung hat ua die Berufung auf einen Erbrechtstitel (Erbvertrag, letztwillige Verfügung oder Gesetz) zu enthalten (§ 799 ABGB, § 159 Abs 1 Z 2 AußStrG). Die Tochter beruft sich auf die Rsp, wonach sogar dem potentiellen Erben, der (gar) keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, Parteistellung und Rekurslegitimation eingeräumt wird, wenn er sein aktives Interesse am Erbantritt bekundet hat und die Abgabe der Erbantrittserklärung aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen unterblieb. Als derartige Gründe wurden Verfahrensfehler angesehen, etwa eine unrichtigerweise unterbliebene Aufforderung zur Abgabe einer Erbantrittserklärung. Auch im Anlassfall ist die Tochter zur Abgabe einer Erbantrittserklärung nicht aufgefordert worden.
Wenn sogar bei einer Person, deren Erbantrittserklärung (mangels Aufforderung nach § 157 Abs 1 AußStrG) unterblieb und die ihr Interesse am Erbantritt bekundet, die Rechtsmittellegitimation zu bejahen ist, muss dies hier umso mehr für die Tochter gelten, die (ohne jegliche Aufforderung nach § 157 Abs 1 AußStrG) eine Erbantrittserklärung abgegeben hat, auch wenn diese Erklärung (noch) keine Berufung auf einen Erbrechtstitel erhielt. Für die Tochter hatte kein Anlass bestanden, ihre Erbsantrittserklärung zu verbessern bzw zu ergänzen.
Die Rekurslegitimation ist bei einer fehlenden Erbantrittserklärung zu bejahen, wenn noch keine Veranlassung für den potentiellen Erben bestanden hatte, eine solche abzugeben. Dies auch deshalb, weil hier die Tochter in das Verlassenschaftsverfahren (durch mehrere Zustellungen) ohnedies einbezogen wurde. Wird keine Erbantrittserklärung abgegeben, ist nach § 157 Abs 4 AußStrG ein Verlassenschaftskurator zu bestellen. Eine derartige Bestellung kann damit implizit auch eine Entscheidung über (die Wirksamkeit einer vorliegenden) Erbserklärung enthalten, sodass hier der Tochter die Rechtsmittellegitimation gegen den Bestellungsbeschluss jedenfalls nicht abgesprochen werden kann.