OGH: Zu Titelvorschüssen und COVID-19-Vorschüssen
Die Umdeutung eines ausschließlich auf §§ 3, 4 Z 1 UVG gestützten Antrages in einen Unterhaltsvorschussantrag aufgrund des § 7 1. COVID-19-JuBG ist nicht möglich, weil die Vorschüsse nach diesen Bestimmungen durch verschiedene Anspruchsvoraussetzungen charakterisiert sind und das Gericht keinen anderen Vorschussgrund als beantragt heranziehen darf
§§ 2 ff UVG, § 11 UVG, § 7 1. COVID-19-JuBG
GZ 10 Ob 27/22a, 13.09.2022
OGH: Gem § 3 UVG sind Unterhaltsvorschüsse zu gewähren, wenn ein im Inland vollstreckbarer Exekutionstitel besteht (Z 1), der Unterhaltsschuldner den laufenden Unterhaltsbeitrag nicht zur Gänze leistet und das Kind glaubhaft macht, einen Exekutionsantrag nach § 295 EO oder, sofern der Unterhaltsschuldner offenbar keine Gehaltsforderungen oder keine andere in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderung hat, einen Exekutionsantrag auf bewegliche körperliche Sachen eingebracht zu haben (Z 2).
Gem § 7 1. COVID-19-JuBG sind Titelvorschüsse nach § 3 UVG auch dann zu gewähren, wenn das Kind keinen entsprechenden Exekutionsantrag bei Gericht eingebracht hat. Abweichend von § 8 UVG sind solche Vorschüsse längstens für ein halbes Jahr zu gewähren. COVID-19-Vorschüsse sind zwar grundsätzlich vergleichbar mit Titelvorschüssen nach § 4 Z 1 UVG, bei denen eine Exekutionsführung wegen Aussichtslosigkeit unterbleiben kann. Damit handelt es sich um eine Variante von Titelvorschüssen. Das Kind soll vorübergehend nicht zur Exekutionsführung gezwungen werden. Eine völlige Gleichstellung mit Titelvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG hat der Gesetzgeber allerdings durch den wesentlich kürzeren Gewährungszeitraum von nur 6 Monaten effektiv ausgeschlossen. Er wollte eine befristete Maßnahme für die Dauer der „Coronakrise“ und kein Dauerrecht schaffen. Eine Weitergewährung von COVID-19-Vorschüssen auf 5 Jahre iSd § 18 UVG kommt daher nicht in Betracht. Zulässig ist allenfalls eine Neugewährung solcher Vorschüsse.
Im vorliegenden Fall hätte das Kind zwar auch einen neuen Antrag auf Gewährung von COVID-19-Vorschüssen stellen können. Es hat allerdings keinen solchen Antrag gestellt, sondern sich ausdrücklich nach §§ 3, 4 Z 1 UVG auf die (bei einem unzuständigen Gericht erfolgte) Exekutionsführung bezogen. Unterhaltsvorschüsse sind gem § 11 Abs 1 UVG nur auf Antrag zu gewähren. Im Hinblick auf die Dispositionsfreiheit des Antragstellers ist das Gericht weder berechtigt, höhere als die begehrten Vorschüsse zuzusprechen, noch einen anderen Vorschussgrund als beantragt für den Zuspruch heranzuziehen. Denn die Anspruchsgrundlage ist im Antrag zu individualisieren, es gibt keinen Unterhaltsvorschuss „an sich“. Die Umdeutung eines ausschließlich auf §§ 3, 4 Z 1 UVG gestützten Antrages in einen Unterhaltsvorschussantrag aufgrund des § 7 1. COVID-19-JuBG ist daher nicht möglich, weil die Vorschüsse nach diesen Bestimmungen durch verschiedene Anspruchsvoraussetzungen charakterisiert sind und das Gericht zudem nicht berechtigt ist, einen anderen Vorschussgrund als beantragt für den Zuspruch heranzuziehen.