08.11.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Unterhaltsvorschuss für Flüchtlinge

Es sind nicht nur die persönlichen, das Kind selbst betreffenden Fluchtgründe zu prüfen, sondern auch die Flüchtlingseigenschaft des Elternteils, von dem das Kind seine Flüchtlingseigenschaft ableitet


Schlagworte: Familienrecht, Fremdenrecht, Unterhaltsvorschuss, Flüchtlingseigenschaft, Asylstatus, Kind, Fluchtgründe, Verfolgung eines Elternteils, Obsorgeberechtigter, Familienangehöriger, Familienverfahren
Gesetze:

 

§ 2 UVG, Art 1 A GFK, § 3 AsylG, § 34 AsylG

 

GZ 10 Ob 18/22b, 13.09.2022

 

OGH: Im Verfahren ist nicht strittig, dass Flüchtlinge nach der GFK und dem Flüchtlingsprotokoll österreichischen Staatsbürgern iSd § 2 Abs 1 UVG gleichgestellt sind und demnach Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse haben. Eine der Voraussetzungen für die Flüchtlingseigenschaft iSd Art 1 A GFK ist das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen den genannten Gründen der Verfolgung und den Verfolgungshandlungen oder dem fehlenden Schutz vor solchen Handlungen. Es bedarf daher einer individuellen Prüfung der Flüchtlingseigenschaft, deren Ziel es ist, festzustellen, ob unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Antragstellers die Voraussetzungen für die Qualifikation als Flüchtling vorliegen.

 

In Fällen, in denen dem Kind der Status als Asylberechtigter im Rahmen eines Familienverfahrens (§ 34 AsylG) zuerkannt wurde, hat der OGH stets darauf verwiesen, dass nicht nur die persönlichen, das Kind selbst betreffenden Fluchtgründe zu prüfen sind, sondern dass es auch auf die Flüchtlingseigenschaft des Elternteils ankommt, von dem das Kind seine Flüchtlingseigenschaft ableitet. Nach der Rsp besteht ein Fluchtgrund des Kindes auch dann, wenn im Herkunftsstaat die Verfolgung eines Elternteils zB durch den russischen Sicherheitsdienst droht. Auch die Fluchtgründe antragstellender Kinder sowie ihrer beider Eltern, denen jeweils wegen eigener Fluchtgründe Asyl nach § 3 Abs 1 AsylG gewährt worden war, wurden als maßgeblich erachtet. Insbesondere sind die Fluchtgründe des Elternteils, in dessen Pflege und Erziehung sich die Kinder befinden, zu prüfen, und zwar auch dann, wenn beiden Eltern Asyl nach § 3 Abs 1 AsylG gewährt worden war, der Vater aber in den Herkunftsstaat zurückgekehrt und unbekannten Aufenthalts ist. Eine Einschränkung nur auf den betreuenden Elternteil, ergibt sich daraus nicht. Dementsprechend wurden in einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation, bei der die Mutter ihren Asylstatus ihrerseits im Familienverfahren zuerkannt erhalten hatte, Erhebungen zur Situation der Familie und der (antragstellenden) Kinder für erforderlich erachtet.

 

Diese Grundsätze entsprechen der Rsp des VwGH, wonach Familienangehörigen der Status als Asylberechtigter dann abzuerkennen ist, wenn die Umstände, wegen deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und überdies auch beim Familienangehörigen selbst die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem § 3 Abs 1 AsylG - also wegen einer ihm drohenden Verfolgung - nicht vorliegen.