18.10.2022 Zivilrecht

OGH: Zum „Untergang“ des dienstbaren Grundes

Ein vorübergehender (tatsächlicher oder rechtlicher) Untergang - etwa infolge eines entsprechenden Verwaltungsbescheids - bewirkt eine als „Einstellung“ bezeichnete Latenz des Rechts und nicht dessen Untergang


Schlagworte: Grunddienstbarkeit, Servitut, Verwaltungsbescheid, Tatbestandswirkung Verbot der Ausübung, Untersagung, Unmöglichkeit, Untergang, Einstellung, Ruhen
Gesetze:

 

§§ 472 ff ABGB, § 525 ABGB, § 880 ABGB, § 1447 ABGB

 

GZ 1 Ob 157/22b, 14.09.2022

 

OGH: § 1447 ABGB geht zwar vom Sonderfall des Untergangs der geschuldeten Sache aus, stellt ihm dann aber jede andere Unmöglichkeit der Erfüllung gleich und ist - ebenso wie die korrespondierende Bestimmung des § 880 ABGB - auf alle Fälle einer nach dem Vertragsabschluss eintretenden Unerlaubtheit der Leistung anzuwenden. Von rechtlicher Unmöglichkeit einer Leistung ist insbesondere dann auszugehen, wenn die geschuldete Leistung durch individuellen oder generellen Hoheitsakt untersagt wird. Die Beweispflicht für die Unmöglichkeit trifft den Schuldner.

 

Vorliegend wurde dem Grundeigentümer mir rechtskräftigem Bescheid der Baubehörde die Benützung der den Gegenstand der Dienstbarkeit bildenden Parkplätze untersagt. Der am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dienstbarkeitsberechtigte wird nach der Rsp von der Gestaltungswirkung und der Tatbestandswirkung des Bescheids erfasst. Die Tatbestandswirkung resultiert im vorliegenden Fall aus § 525 ABGB, wonach „der Untergang des dienstbaren oder des herrschenden Grundes“ zwar die Dienstbarkeit einstellt; sobald aber der Grund oder das Gebäude wieder in den vorigen Stand gesetzt ist, erhält die Servitut wieder ihre vorige Kraft. § 525 ABGB befasst sich - neben dem Erlöschen von Dienstbarkeiten durch den dauernden Untergang der dienenden oder herrschenden Sache - vorrangig mit der vorübergehenden Störung. Ein vorübergehender (tatsächlicher oder rechtlicher) Untergang - etwa infolge eines entsprechenden Verwaltungsbescheids - bewirkt eine als „Einstellung“ bezeichnete Latenz des Rechts und nicht dessen Untergang.

 

Die Verwaltungsbescheide lassen das Recht der Dienstbarkeit des Abstellens von Fahrzeugen daher unberührt. Der Bescheid über die Untersagung der Benützung des PKW-Abstellplatzes hebt die Dienstbarkeit nicht (auf Dauer) auf. Nach § 525 ABGB erlöschen Dienstbarkeiten durch den dauernden Untergang der dienenden Sache. Sie leben aber mit der Wiederherstellung wieder auf. Ein bloß vorübergehender - auch rechtlicher - „Untergang“ der Sache bewirkt kein Erlöschen. Die vorübergehende Unmöglichkeit hat lediglich zur Folge, dass die Dienstbarkeit bis zur Wiederherstellung „ruht“. Im Fall der künftigen „Beseitigung“ oder Aufhebung des Bescheids über die Untersagung der Benützung des PKW-Abstellplatzes wäre die Klägerin zur dann wieder möglichen Ausübung ihrer Dienstbarkeit berechtigt. Derzeit steht dem Unterlassungsbegehren der Klägerin betreffend die Ablagerung des Betonquaders auf dem Parkplatz („derartige Störung“) aber der „Untersagungsbescheid“ entgegen, aufgrund dessen die Ausübung der Dienstbarkeit derzeit rechtlich unmöglich ist.