18.10.2022 Zivilrecht

OGH: Zu verbotenen Ablösen

Dass bei einer Zahlung 10 bis maximal 30 Minuten nach der Unterfertigung des Kündigungsschreibens durch die Antragsgegnerin und die Bekanntgabe der Antragstellerin als Nachmieterin die Zwangslage für die Antragstellerin noch nicht weggefallen sei, bedarf keiner Korrektur durch den OGH


Schlagworte: Mietrecht, Wohnungsgemeinnützigkeitsrecht, verbotene Ablösen, Drucksituation, Zwangslage, Kündigung, Bekanntgabe, Nachmieter, Präsentationsrecht
Gesetze:

 

§ 27 MRG, § 20 WGG

 

GZ 5 Ob 159/22a, 27.09.2022

 

OGH: Ungültig und verboten sind gem dem hier nach § 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG unstrittig anwendbaren § 27 Abs 1 Z 1 MRG Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat; unter dieses Verbot fallen nicht die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Rückersatz des Aufwands, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 MRG zu ersetzen hat. Nach dem Zweck der Regelung soll verhindert werden, dass der Bestandgegenstand als Vermögenswert gehandelt wird und kein objektiver äquivalenter Leistungsaustausch vorliegt. Die Bestimmung ist nach ihrem Telos dahin einzugrenzen, dass die Leistung des neuen Mieters nur dann als unzulässige Ablöse betrachtet werden kann, wenn dieser noch keine rechtlich gesicherte Position erlangt hat und somit in seiner Willensbildung beschränkt ist. Dies wird idR jedenfalls dann zutreffen, wenn der Ablöseempfänger noch in der Lage ist, einen Konnex zwischen dem Abschluss des Mietvertrags und der verbotenen Leistung herzustellen, ohne aber auf diese Variante beschränkt zu sein. Eine „Drucksituation“ des Neumieters kann daher etwa auch dann noch gegeben sein, wenn der Mietgegenstand nach Vertragsabschluss noch nicht tatsächlich übergeben wurde und der Vermieter mit seinem „Rücktritt“ vom Vertrag oder ähnliches droht oder dem Mieter den Vertrag nur gegen gleichzeitige Unterfertigung einer Verzichtserklärung aushändigt. Grundsätzlich ist die Frage nach der Drucksituation nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor:

 

Dass die Antragstellerin hier den Nutzungsvertrag mit der GBV erst Monate nach Zahlung des Ablösebetrags unterzeichnete und die Schlüssel erst danach übergeben wurden, bestreitet die Revisionsrekurswerberin nicht. Mit diesem Zeitpunkt mag die Zwangslage für die Antragstellerin weggefallen sein. Dass bei einer Zahlung 10 bis maximal 30 Minuten nach der Unterfertigung des Kündigungsschreibens durch die Antragsgegnerin und die Bekanntgabe der Antragstellerin als Nachmieterin die Zwangslage für die Antragstellerin noch nicht weggefallen sei, bedarf keiner Korrektur durch den OGH.