OGH: Zur „Wohnkostenersparnis“ beim einstweiligen Ehegattenunterhalt
Eine Wegweisung des Unterhaltsberechtigten aus der Ehewohnung nach § 382b EO ist seinem freiwilligen (grundlosen) Auszug gleichzuhalten, sodass er sich trotzdem die Wohnkostenersparnis anrechnen lassen muss
§ 94 ABGB, § 382b EO, § 382 EO
GZ 2 Ob 95/22t, 06.09.2022
OGH: Grundsätzlich ist nach Aufhebung der ehelichen Hausgemeinschaft der gesamte angemessene Unterhalt des Unterhaltsberechtigten in Geld zu leisten. Hat der Unterhaltsberechtigte aber nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, so bedarf er regelmäßig nicht mehr des gesamten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken. Für die Überlassung der Wohnung an den Unterhaltsberechtigten ist daher der fiktive Mietwert der Wohnung als Naturalunterhalt anzurechnen, wobei der für den Wohnungsaufwand geleistete Naturalunterhalt idR nach Köpfen auf alle die Wohnung benutzenden Personen, die in einer unterhaltsrechtlichen Beziehung zum Unterhaltspflichtigen stehen, aufzuteilen und auf deren Unterhaltsansprüche anzurechnen ist.
Auch der Unterhaltspflichtige darf durch sein Verhalten seine unterhaltsberechtigten Kinder nicht in ihren Ansprüchen schmälern, sodass sein Auszug aus der Ehewohnung gegenüber den Kindern regelmäßig unbeachtlich und sein „Kopf“ bei der Ermittlung der anzurechnenden Anteile weiterhin zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch für den Ehegattenunterhalt: Wenn daher kein Einvernehmen der Ehegatten nach § 91 ABGB vorliegt und es dem Unterhaltspflichtigen auch nicht gelingt, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 92 ABGB zu beweisen, oder wenn er nicht darlegt, dass ihm das weitere Zusammenwohnen mit dem Unterhaltsberechtigten aus besonderen Gründen nicht mehr zumutbar ist, ist er in die Aufteilung des fiktiven Mietwerts der Wohnung miteinzubeziehen. Dass dem freiwilligen Auszug des Unterhaltspflichtigen eine Wegweisung nach § 382b EO gleichzuhalten ist, wurde bereits ausgesprochen.
Verlässt der Unterhaltsberechtigte die Ehewohnung, kommt es für die Anrechenbarkeit der Wohnkostenersparnis als Naturalunterhalt darauf an, ob er aus gerechtfertigten Gründen auszog. Das Verlangen des (gesamten) Geldunterhalts wäre unbillig, wenn der Unterhaltsberechtigte die Ehewohnung, die ihm zur Deckung seines Wohnbedürfnisses zur Verfügung stünde, ohne gerechtfertigte Gründe verlässt. Dass ebenso eine Wegweisung des Unterhaltsberechtigten oder eine gegen ihn erlassene eV nach § 382b EO seinem freiwilligen (grundlosen) Auszug gleichzuhalten sind, ist schon aus Gründen der Gleichbehandlung der Ehegatten selbstverständlich. Auch wenn die eV - wie vorliegend - nicht die Ehewohnung betrifft, sondern (räumlich) auf eine andere Unterkunft der Ehegatten beschränkt ist, wird dadurch die Unzumutbarkeit der gemeinsamen Nutzung der Ehewohnung aus vom Unterhaltsberechtigten zu vertretenden Gründen dokumentiert. Vereitelt er daher die (gemeinsame) Nutzung der Ehewohnung, wäre das Verlangen des gesamten Geldunterhalts unbillig, sodass er sich die Wohnkostenersparnis anrechnen lassen muss.