OGH: Zur Pistensicherungspflicht
Ist aufgrund der besonderen Geländebeschaffenheit damit zu rechnen, dass Pistennutzer vor der betreffenden Passage noch Schwung holen, um nicht anschließend anschieben zu müssen, so muss ein Fangnetz bis zum Boden reichen und seine Stahlanker sind abzusichern
§§ 1295 ff ABGB
GZ 6 Ob 64/22p, 14.09.2022
OGH: Mit Abschluss des Beförderungsvertrags übernimmt der Liftunternehmer als Pistenhalter die Pflicht, im unmittelbaren Bereich des von ihm eröffneten Schiverkehrs die körperliche Integrität seiner Vertragspartner durch nach der Verkehrsauffassung erforderliche und zumutbare Maßnahmen zu schützen. Er ist verpflichtet, dort entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wo dem Schifahrer durch nicht oder schwer erkennbare Hindernisse Gefahren drohen. Nach stRsp hat er demnach atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Die Verpflichtung zur Pistensicherung erstreckt sich auch auf den Pistenrand, weil mit dem Sturz eines Schifahrers über den Pistenrand hinaus jederzeit, also auch bei mäßiger Geschwindigkeit, gerechnet werden muss.
Es wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Anbringung eines Fangnetzes an ungesicherten Stehern eine neuerliche Gefahrenquelle für stürzende Schifahrer heraufbeschwört, weil die Kollision mit massiven Stehern zu erheblichen Verletzungen führen kann, weshalb diesen Gefahren vom Pistenhalter durch Polsterung und Ummantelung der Steher begegnet werden muss, auch wenn solche Fangnetze für den Pistennutzer gewöhnlich schon von weitem erkennbar sind, sodass er sein Fahrverhalten grundsätzlich ohnedies rechtzeitig darauf einstellen kann. Schon der Umstand, dass überhaupt ein Fangzaun angebracht war, zeigt, dass hier die Beklagte offenbar die Gefahr eines Hinausrutschens stürzender Pistennutzer über den Pistenrand erkannt hat. Hinzu kommt, dass die Absicherung der durchaus verletzungsträchtigen Stahlanker in der konkreten Konstellation für die Beklagte auch ohne weiteres zumutbar gewesen wäre: Sie hätte nur den vor Ort ohnedies bereits vorhandenen Fangzaun dergestalt spannen müssen, dass er nach unten hin bis zur Schneeauflage reicht und damit seiner zentralen Funktion, nämlich dem Abfangen von Schi- und Snowboardfahrern, gerecht wird. IdS hat der OGH bereits wiederholt ausgesprochen, dass Fangnetze bis zum Bodenniveau hin auszuführen sind, um ein Durchrutschen gestürzter Schifahrer zu verhindern.
Auch hier kann angesichts der Lage des - zudem künstlich geschaffenen - Hindernisses an der Kurvenaußenseite, des Umstands, dass aufgrund der besonderen Geländebeschaffenheit damit zu rechnen ist, dass Pistennutzer vor der betreffenden Passage noch Schwung holen, um nicht anschließend anschieben zu müssen, aber auch mit Blick auf die konkrete Ausführung der Stahlanker, die bei einem Anprall erhebliche Verletzungen befürchten lassen, kein Zweifel daran bestehen, dass diese abzusichern gewesen wären.