04.10.2022 Zivilrecht

OGH: Zum Übergang von Gewährleistungs- und Schadenersatzrechten beim Liegenschaftsverkauf

Beim Übergang unbekannter Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen des Verkäufers aus einem Werkvertrag mit einem Dritten liegt eine Differenzierung nach Maßgabe der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts nicht auf der Hand


Schlagworte: Gewährleistungsrecht, Schadenersatzansprüche, Werkvertrag, Liegenschaft, Verkauf, Gewährleistungsausschluss, Übergang an den Käufer, ergänzende Vertragsauslegung
Gesetze:

 

§§ 914 f ABGB, §§ 1053 ff ABGB, § 1392 ABGB

 

GZ 9 Ob 47/22k, 31.08.2022

 

OGH: Enthält der Liegenschaftskaufvertrag nicht nur die Bestimmung, dass das Kaufobjekt auf den Käufer mit sämtlichen Rechten und Vorteilen übergeht, mit denen es der Verkäufer besessen hat oder zu besitzen berechtigt war, sondern auch einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss, so nimmt die Rsp idR eine ergänzende Vertragsauslegung dahingehend an, dass dem Käufer auch alle bei Vertragsabschluss unbekannten Gewährleistungs- und Schadenersatzforderungen des Verkäufers aus einem Werkvertrag mit einem Dritten, die aus einer Beeinträchtigung der Liegenschaft resultieren, abgetreten werden. Eine solche ergänzende Vertragsauslegung wird va dort als angezeigt angesehen, wo an eine konkrete Beeinträchtigung der Liegenschaft gar nicht gedacht ist und diese bei der Kaufpreisbildung nicht berücksichtigt wurde oder werden konnte.

 

Dass die Erwägungen dieser Rsp nur unter den Voraussetzungen gelten könnten, dass es sich um ein entgeltliches Geschäft handelt, ein Gewährleistungsverzicht vereinbart wurde und die Liegenschaft mit allen Rechten und Vorteilen, mit denen die Verkäuferin sie bisher besessen hat, auf die Käuferin übergeht, lässt sich den bisherigen Entscheidungen nicht entnehmen. Eine Differenzierung nach Maßgabe der Unentgeltlichkeit des Rechtsgeschäfts liegt auch nicht auf der Hand.

 

Da hier aufgrund der Unentgeltlichkeit der Widmung der Liegenschaft in das Stiftungsvermögen grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche der Privatstiftung gegenüber der Ersteigentümerin in Betracht kommen (§ 922 ABGB e contr), die Ersteigentümerin infolge der Eigentumsübertragung aber auch keine Schäden mehr zu gewärtigen hätte, bestünde für sie kein Grund und keine Veranlassung mehr, Ansprüche gegenüber dem beklagten Werkunternehmer als ihrem Vertragspartner geltend zu machen. Vielmehr kann hier nach dem Gesamtbündel der Vereinbarungen über die von der Privatstiftung zu übernehmenden Verbindlichkeiten wie auch Nutzungen zwanglos angenommen werden, dass die Vertragsparteien nach ihrer typischen Interessenlage dann, wenn sie die vorliegende Situation mitbedacht hätten, diese auch ausdrücklich in dem Sinn geregelt hätten, dass die Ersteigentümerin das Haus und die damit in Zusammenhang stehenden Ansprüche in ihrer Gesamtheit auf die Privatstiftung übertragen wissen wollte. Entgegenstehende Gründe sind nicht erkennbar. Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 915 ABGB bleibt danach kein Raum.