OGH: Zu „besonders geeigneten Personen“ iSd § 209 ABGB
Krisenpflegeeltern sind idR keine „besonders geeigneten Personen“ iSd § 209 ABGB
§§ 184 f ABGB, § 206 ABGB, § 209 ABGB, § 211 ABGB
GZ 6 Ob 96/22v, 22.06.2022
OGH: Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahestehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht nach § 209 ABGB die Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen; Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.
Mit „besonders geeigneten Personen“ iSd § 209 ABGB, die bei der Betrauung mit der Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger vorgehen, sind solche Personen gemeint, die über die für die im konkreten (Ausnahms-)Fall zu besorgenden besonderen Angelegenheiten erforderliche Fachkenntnis verfügen. Dazu wird in den Mat als Beispiel etwa auf die für die Verwaltung eines dem Kind im Erbweg zugekommenen Mietshauses erforderlichen Fachkenntnisse eines Hausverwalters verwiesen. IdR ergibt sich daher die „besondere Eignung“ aus dem „Bezug auf die Art der im Rahmen der (partiellen) Obsorge zu besorgenden Angelegenheiten“ (zB Bestellung von Rechtsanwälten, wenn es primär um Rechtsangelegenheiten geht). Diese eben nur in besonderen Fällen erforderliche besondere fachliche Eignung (und die damit einhergehende eingeschränkte Anzahl an „Experten“, die zur Auswahl stehen können) rechtfertigt es, dass eine solcherart „besonders geeignete Person“ die (partielle) Betrauung mit der Obsorge nur ablehnen darf, wenn ihr diese unzumutbar wäre (§ 206 Abs 2 ABGB). Dagegen kann den - den besonders geeigneten Personen sogar „vorgehenden“ (vgl § 204 ABGB) - „allgemein“ geeigneten Pflegeeltern die generelle wie partielle Obsorge (etwa auch nur im Bereich Pflege und Erziehung) nicht aufgezwungen werden (§ 185 Abs 1 ABGB: „auf Antrag“).
Dass der vorliegende Fall ein Sonderfall wäre, bei dem im Rahmen der Obsorge des Kindes eine nach diesem Verständnis zu besorgende „besondere“ Angelegenheit vorläge, für die es derartige Fachkenntnisse bedürfte, ist weder ersichtlich, noch behauptet worden. Daher kann hier die Krisenpflegemutter, bei der das Kind vom Kinder- und Jugendhilfeträger im Rahmen der Wahrnehmung der Interimskompetenz nach § 211 Abs 1 ABGB vorübergehend untergebracht worden war (um der Mutter wegen des damals angestrebten Verbleibs des Kindes bei ihr die Möglichkeit ihrer Stabilisierung einzuräumen) und die daher kein Pflegeelternteil iSd §§ 184 f ABGB ist, im Revisionsrekurs keine Bedenken gegen die Entscheidung der Vorinstanzen, dem Kinder- und Jugendhilfe die (gesamte) Obsorge zu übertragen, wecken.