OGH: Zum Vorkaufsrecht juristischer Personen bei Fusionen
Bei der Verschmelzung durch Aufnahme gem § 1 Abs 1 Z 1 GenVG geht ein der übertragenden Genossenschaft eingeräumtes Vorkaufsrecht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Genossenschaft über
§ 1070 ABGB, § 1074 ABGB, § 1 GenVG, § 5 GenVG, § 96 GmbHG, §§ 220 ff AktG
GZ 5 Ob 215/21k, 23.06.2022
OGH: Das Vorkaufsrecht kann nach der zwingenden Bestimmung des § 1074 ABGB weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden. Die Unvererblichkeit soll der im Vorkaufsrecht enthaltenen Beschränkung des freien Verkehrs eine zeitliche Grenze setzen. Ein Vorkaufsrecht kann auch einer juristischen Person eingeräumt werden. Es erlischt dann mit deren Untergang. Die Bestimmung des § 1074 ABGB entspricht inhaltlich der insoweit ebenfalls zwingenden Bestimmung des § 1070 ABGB. Danach kann (auch) das Wiederkaufsrecht vom Berechtigten weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen werden.
Nach der jüngeren Rsp des OGH gehen bei einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge die der übertragenden Gesellschaft eingeräumten Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte aufgrund der mit solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen verbundenen Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über; explizit ausgesprochen wurde dies für den Fall der Verschmelzung nach § 96 GmbHG, §§ 220 ff AktG, der Verschmelzung bei der Errichtung einer SE und der Vermögensübernahme nach § 142 UGB.
Gem § 5 GenVG bewirkt die Eintragung der Verschmelzung durch Aufnahme in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übertragenden Genossenschaft den Übergang des Vermögens dieser Genossenschaft auf die übernehmende Genossenschaft und das Erlöschen der übertragenden Genossenschaft. Die Verschmelzung ist damit ein Fall der Rechtsnachfolge durch Universalsukzession. Der die jüngere Rsp zum Schicksal der Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte im Fall der Verschmelzung tragende Grund, dass bei dieser Form der Gesamtrechtsnachfolge eine Liquidation unterbleibt und die übertragende Genossenschaft in der übernehmenden Genossenschaft aufgeht, gilt demnach auch für die Verschmelzung durch Übertragung des Vermögens einer (übertragenden) Genossenschaft als Ganzes auf eine andere (übernehmende) Genossenschaft (Verschmelzung durch Aufnahme gem § 1 Abs 1 Z 1 GenVG). Angesichts dieser wesentlichen Gemeinsamkeit ist eine Differenzierung zwischen der Verschmelzung von Genossenschaften und den bisher von der jüngeren Rsp beurteilten Fällen der Gesamtrechtsnachfolge nicht angezeigt. Auch in diesem Fall kann von keinem (endgültigen) Untergang der übertragenden Genossenschaft gesprochen werden, der iZm den §§ 1070, 1074 ABGB dem Tod einer natürlichen Person gleichzusetzen wäre. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme gem § 1 Abs 1 Z 1 GenVG geht ein der übertragenden Genossenschaft eingeräumtes Vorkaufsrecht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge daher auf die übernehmende Genossenschaft über.