OGH: Zur actio negatoria des Miteigentümers
Das alleinige Klagerecht besteht nur, wenn die Klage keine Veränderung oder Feststellung des gemeinsamen Rechts herbeiführen will, sondern im Interesse des Klägers oder der Gemeinschaft den rechtswidrigen Angriff auf die gemeinsame Sache abzuwehren soll
§ 523 ABGB, § 833 ABGB, §§ 825 ff ABGB
GZ 5 Ob 46/22h, 19.07.2022
OGH: Die auf Abwehr von Störungen gerichtete Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann grundsätzlich von jedem Miteigentümer erhoben werden. Jeder Miteigentümer, auch wenn er nur die Minderheit der Anteile repräsentiert, ist also berechtigt, eigenmächtige Eingriffe in das gemeinsame Eigentum mit der - auf Beseitigung und Wiederherstellung des vorigen Zustands gerichteten - Eigentumsfreiheitsklage gegen den Störer abzuwehren. Weder benötigt er dazu die Zustimmung anderer Miteigentümer, noch liegt in einem solchen Fall eine einheitliche Streitpartei mit den übrigen Miteigentümern vor. Der einzelne schlichte Miteigentümer ist nach dieser Rsp aber nur dann allein aktiv legitimiert, wenn er sich mit seinen Ansprüchen nicht in Widerspruch zu anderen Miteigentümern setzt.
Die Aktivlegitimation des einzelnen Miteigentümers umfasst im Rahmen des § 523 ABGB nicht nur Unterlassungsbegehren, sondern auch solche, die auf Wiederherstellung und Beseitigung gerichtet sind. Dass nach dem Rechtsschutzziel solcher Beseitigungs- und Wiederherstellungsbegehren „tatsächlich auf die Substanz des (Mit-)Eigentums“ eingewirkt werden soll, bzw es uU zu einer „tatsächlichen Veränderung der Substanz“ des klägerischen Grundstücks kommt, die „auch zugunsten der nicht am Verfahren beteiligten Eigentümer wirkt“, liegt dabei in der Natur der Sache. Anderenfalls könnte ja - etwa bei rechtswidrig erfolgten (Um-)Baumaßnahmen, Grabungsarbeiten oder Pflanzungen auf einer Liegenschaft - eine im Wesentlichen dem früheren Zustand entsprechende Lage gewöhnlich nicht wiederhergestellt werden.
Der OGH hat auch bereits klargestellt, dass jedem Teilhaber einer Gemeinschaft nur das Recht zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechts erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechts bedarf. Eine Wahrung des Gesamtrechts liegt vor, wenn ein Teilhaber bei tatsächlichem Eingriff in das dingliche Recht der Gemeinschaft die Feststellung der Störung, die Beseitigung der Beeinträchtigung und die Wiederherstellung des vorherigen Zustands, allenfalls die Unterlassung künftiger Störungen begehrt. Der einzelne Miteigentümer kann Gemeinschaftsrechte also nur so weit geltend machen, als er damit vorhandene Rechte der Gemeinschaft wahren will, nicht aber soweit er dadurch erst Rechte für sich und die Miteigentümer zu erwirken versucht. Das alleinige Klagerecht besteht nur, wenn die Klage keine Veränderung oder Feststellung des gemeinsamen Rechts herbeiführen will, sondern den Zweck verfolgt, im Interesse des Klägers oder der Gemeinschaft den rechtswidrigen Angriff auf die gemeinsame Sache (das gemeinsame Recht) abzuwehren. Daher ist etwa die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Dienstbarkeit grundsätzlich von allen Miteigentümern zu erheben.